(ots) - So schnell geht das. Noch im Juli war Schwarz-Grün
für Angela Merkel ein "Hirngespinst", gestern saßen sie am
Verhandlungstisch. Und dieses Mal, das bestätigen beide Seiten, ist
es keine Alibi-Veranstaltung wie die nur anderthalbstündige
Sondierung von 2005. Nun soll es sogar am Dienstag ein zweites
Treffen geben. Die Gräben, die Schwarze und Grüne trennen, sind zwar
kleiner geworden - aber noch immer beträchtlich. Man denke an das von
den Spitzen-Grünen nicht ganz zufällig nach oben bugsierte Thema
Flüchtlingspolitik. Man stelle sich ein schwarz-grünes Kabinett vor:
Wie sollen etwa Claudia Roth und Hans-Peter Friedrich bei diesem
Thema auf einen halbwegs gemeinsamen Nenner kommen? Andererseits: Die
einst unüberbrückbaren Streitthemen zwischen Union und Ökopartei sind
ausgeräumt. Atomkraft: wird abgewickelt. Nato: Es gibt kaum noch
Grüne, die das Bündnis aufkündigen wollen. Es gibt aber auf beiden
Seiten Vorbehalte. In CDU und CSU geht manchen der grüne
Missionierungseifer gehörig auf den Keks - Stichwort Veggie-Day. Bei
den Grünen stehen momentan taktische Überlegungen im Vordergrund.
Wahl-Klatsche, neue Führung und dann auch noch Beteiligung an einem
Kabinett Merkel? Da denkt nicht nur Vize-Fraktionschefin Bärbel Höhn
an "Kamikaze". Die Zeit sei noch nicht reif, 2017 vielleicht. Aber es
gibt im Leben Chancen, die kommen nicht so oft. Und wer weiß schon,
was im schnelllebigen Berliner Politikbetrieb in vier Jahren sein
wird. Eigentlich müssten sowohl die Grünen als auch die Union auf
Partnersuche gehen. Rot-Grün ohne dunkelrote Komponente hat auf
längere Sicht keine Chance, eine Regierung zu bilden. Und der Union
ist ihr liberaler Mehrheitsbringer weggebrochen. So hat Angela Merkel
die Qual der Wahl. Als Kanzlerin müsste sie sich für das Land
entscheiden: Große Koalition steht für Stabilität. Als
CDU-Vorsitzende hingegen müsste sie eigentlich ein Hohelied auf
Schwarz-Grün anstimmen - das ist eine Farbkombination mit
Perspektive. Zumal das Modell Große Koalition eigentlich wirklichen
Krisenzeiten vorbehalten sein sollte. Dennoch riecht es in Berlin
derzeit weit mehr nach Großer Koalition als nach Schwarz-Grün.
Allerdings gilt auch: Den Mutigen gehört die Zukunft.
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