(ots) - Fröhlich rief die Kanzlerin: "Ach, lassen Sie uns
doch noch anstoßen!" Das meistgebrauchte Wort der
Koalitionsverhandlungen lautete "Vertrauen". Einträchtig trabten
CSU-Chef Stoiber, SPD-Anführer Müntefering und sogar Noch-Kanzler
Schröder vor acht Jahren hinter der neuen Regierungschefin her, um
die große Koalition zu begießen. Der Bürger aber rätselte: Hatte
Angela Merkel nicht im Wahlkampf zwei Prozent Mehrwertsteuer
angedroht, worauf die SPD mit einer wütenden Kampagne gegen die
"Merkel-Steuer" reagierte? Warum nur wurde um drei Prozent erhöht?
Wie war das mit dem Vertrauen?
Die Koalition beider Volksparteien gilt als Notlösung, wenn es
brennt im Staate. Große Probleme - große Koalition. Tatsächlich
wartet eine Reihe Aufgaben: Energie, Rente, kalte Progression. Wenn
an diesem Freitag die Spitzen von Union und SPD zum
Sondierungsgespräch antreten, werden drängende Fragen jedoch kaum im
Mittelpunkt stehen. Es geht um die Operation Machtsicherung. Die
Kanzlerin hat sich mit ihrem Wahltriumph durchaus Sorgen
eingehandelt. Wie einfach wäre es mit der FDP geworden: Von fünf
liberalen Ministerien wären drei geblieben, Merkel hätte Posten
verteilt und Macht gefestigt. Nun tritt die SPD mit dem Wunsch nach
sechs Ressorts an, Merkel muss das absehbare Gemurre bezahlen.
Gegenüber steht Sigmar Gabriel, der Beute machen muss, bei
Mindestlohn, Reichensteuer, Herdprämie. Sicher ist eins: Es wird
nicht unbedingt gut, aber teuer.
Verharrt die Kanzlerin im Spendiermodus? Oder spielt sie hart?
Schließlich besteht eine wenn auch kleine Chance, dass sich die
zerfahrenen Grünen unter Führung der Respektsperson Kretschmann
fangen und in die Sondierung mit der Union gehen. An kostspieligen
Abenteuern bietet die Öko-Partei auch nicht mehr als die SPD. Mit der
Ost-Protestantin Göring-Eckardt könnte Pastorentochter Merkel zudem
ein unaufgeregtes, aber entschlossenes Frauenduo bilden. Hat die
sicherheitsgesteuerte Kanzlerin tief im Herzen Interesse an
Schwarz-Grün? Verlöre sie ihr Amt, wenn das Abenteuer krachte?
Zunächst einmal hätte die SPD in der Opposition einen Machtkampf
durchzustehen, der verlustreich und langwierig würde.
Einst stand Merkel im Ruf, mit der kalten Härte der Vernunft zu
regieren. Zuletzt präsentierte sich die Kanzlerin allerdings eher als
Kuschel-Mutti, die Anerkennung wollte, um jeden Preis. Mal sehen, wie
viel Mut zu verantwortungsvollem Führen noch in ihr wohnt.
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