(ots) - Das Ende kam doch überraschend. Nachdem die Weichen
eigentlich schon auf Rot-Grün standen, ließ die SPD den
Koalitions-Zug noch entgleisen. Kein grünes Mitregieren, keine
Senatsposten, kein sozial-ökologischer Aufbruch für Berlin. Eine
bittere Niederlage für die Grünen. Davon werden sie sich lange nicht
erholen - auch wenn man am Mittwoch bemüht war, die Schuld der SPD
zuzuschieben. Vor allem der Stopp des Weiterbaus der Stadtautobahn A
100 - der am Ende des Wahlkampfs Stimmen bringen sollte - hat die
Ökopartei in eine Verhandlungssackgasse geführt, in die weder SPD
noch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hinein wollten. Um
es klar zu sagen: Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann hat sich hier
verzockt. Aber die A 100 ist nur vordergründig Grund für das Aus für
Rot-Grün. Es war am Ende das Misstrauen, das bei der SPD überhand
nahm. Aus Sicht der Sozialdemokraten hatten die Grünen einen neuen
Kompromiss zur Stadtautobahn wieder zu ihren Gunsten interpretiert.
Das fehlende Vertrauen in die Regierungsfähigkeit bei nur einer
Stimme von Rot-Grün über der absoluten Mehrheit - das alles führte
dazu, dass SPD-Chef Michael Müller und Klaus Wowereit die Reißleine
zogen. Jetzt also Gespräche über eine große Koalition mit der CDU. Es
wird für das Führungsduo der Sozialdemokraten nicht leicht werden,
die mehrheitlich linke SPD-Basis von ihrem Schwenk zu den
Christdemokraten zu überzeugen. Denn die wollte immer eine Koalition
mit den Grünen. Nur einige wenige prominente Sozialdemokraten wie
Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky setzten sich in den
vergangenen Wochen für eine stabile Mehrheit mit der CDU ein - statt
auf ein wackeliges Bündnis mit den Grünen zu hoffen. Doch vielleicht
sollte sich auch der linke Parteiflügel der SPD einmal überlegen,
wieso ein Heinz Buschkowsky, der mit markanten Sprüchen und
eindringlichen Mahnungen zur Integrationspolitik, zu Bildung und
Jugendkriminalität die Menschen erreicht, 43 Prozent der Stimmen in
Neukölln auf sich vereinen konnte. Landesweit kam die mehrheitlich
linke SPD nur auf 28 Prozent. Mussten bisher die Grünen beweisen,
dass sie regierungsfähig sind, geht es jetzt wohl um die SPD. Die
Sozialdemokraten sollten nicht zu lange ihre rot-grünen Wunden
lecken. Wenn Klaus Wowereit nicht nur als Zocker um die Macht
dastehen will, muss er nun den eingeschlagenen Kurs beibehalten. Denn
es geht um mehr als um Farbenspiele. Parteien haben keinen
Selbstzweck. Wer durch Wahlen an die Macht kommt, soll seine
Möglichkeiten für die Menschen einsetzen. In Berlin gibt es genug
große Probleme, die eine große Koalition angehen muss: die steigenden
Mieten und die Sorgen vieler Menschen, von ihrer kleinen Rente die
Wohnungskosten nicht mehr bezahlen zu können. Die Schaffung neuer
Arbeitsplätze - nicht nur für hoch qualifizierte Studienabgänger,
sondern auch für Menschen mit geringeren Qualifikationen. Und endlich
bessere Schulen für die Kinder der Stadt. Es geht viel um Vertrauen
in diesen Tagen in Berlin. Am wichtigsten wäre, wenn die Menschen
wieder Vertrauen in die Politik und die Regierenden gewinnen könnten.
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