(ots) - Die Zeit für eine schwarz-grüne Ehe ist noch
nicht reif. Merkel wählt die risikoarme Variante.
Schwarz und Grün: Wie schlecht diese Farben derzeit
zusammenpassen, verraten die Schimpftiraden, die sich führende CSU-
und Grünen-Politiker vor den gestrigen Sondierungen an den Kopf
warfen. Von "Zynikern" war die Rede, von "Leuten von gestern", von
"Kamikaze". Diese Wortwahl verdeutlicht, wie tief die Gräben zwischen
Teilen der Union und dem linken Flügel der Grünen sind. Sie macht
gleichzeitig klar, dass die Ängste vor dem krachenden Scheitern eines
schwarz-grünen Experiments im Bund in beiden Lagern überwiegen. Die
Zeit ist - im Moment - nicht reif für eine grüngesprenkelte Regierung
Merkel. Allein die Vorstellung, wie sich am Kabinettstisch die CSUler
Peter Ramsauer und Hans-Peter Friedrich einerseits sowie die Grünen
Toni Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt auf der anderen Seite
argwöhnisch belauern, wirkt kabarettreif. Viele Personen und
Positionen verhalten sich zueinander wie Feuer und Wasser. Alles
läuft auf eine große Koalition hinaus. Dafür gibt es aus Unionssicht
mehrere triftige Gründe, aus denen weniger ideologische Motive
sprechen, sondern der reine Pragmatismus. Es ist vor allem die
SPD-Mehrheit im Bundesrat, die CDU und CSU vor einem Bündnis mit den
Grünen abschreckt. Die Sozialdemokraten könnten alle wichtigen
Gesetze einer schwarz-grünen Bundesregierung in der Länderkammer
wieder einkassieren und so eine Nebenregierung bilden. Auf dieses
Risiko würden sich Angela Merkel und Horst Seehofer nicht einlassen.
Außerdem ist im Augenblick kaum einzuschätzen, in welche Richtung
sich die nach ihrer Wahlschlappe geschwächten Grünen mit ihrer
renovierten Führung entwickeln. Denn nach dem Abgang von Jürgen
Trittin müssen die neuen Fraktionschefs zuerst einmal verhindern,
dass ihnen der ganze Laden um die Ohren fliegt. Für viele - auch in
der eigenen Partei - war Trittin eine große Reizfigur. Doch es gelang
ihm, das linke Lager mit den Pragmatikern halbwegs zu versöhnen.
Seine Nachfolger müssen gut aufpassen, dass es jetzt nicht zu
erbitterten Flügelkämpfen zwischen Fundis und Realos kommt. Ein
weiteres schlagendes Argument spricht gegen Schwarz-Grün: Diese
Koalition würde den Willen der Wähler konterkarieren. Die Öko-Partei
wurde für ihren radikalen Linksschwenk abgestraft. Die mageren 8,4
Prozent - noch hinter der Linkspartei - sagen eindeutig: Bleibt in
der Opposition und nutzt die nächsten vier Jahre zum Nachdenken. Die
Grünen sind - nach der FDP - die großen Wahlverlierer. Daraus den
Auftrag für eine Regierungsbeteiligung zu konstruieren, wäre eine
schwere Hypothek für Schwarz-Grün. Gleichzeitig würden sich viele
Stammwähler der Ökopartei mit Grauen von einem Bündnis mit Merkel und
Seehofer abwenden. Schon kurz, nachdem die ersten Hochrechnungen am
Wahlabend über die Bildschirme flimmerten, brachte es die
stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner auf den Punkt: Der
Bauch sagt Grün, der Kopf SPD. Das bedeutet konkret: Die Union geht
auf Nummer sicher und wählt den Partner, der sich bereits zwischen
2005 und 2009 als verlässlich erwies. Es heißt aber auch, dass sich
CDU und CSU mittelfristig nach einem neuen strategischen Partner
umsehen müssen, da ihnen die FDP vorläufig abhandengekommen ist. Für
die Vernunftehe - das schwingt in Klöckners Worten mit - ist die SPD
die bessere Kandidatin. Für eine leidenschaftliche Beziehung jedoch,
aus der sich wirklich etwas Neues entwickeln kann - auch wenn es
manchmal heftig kracht - kommen mittelfristig eigentlich nur die
Grünen in Frage. Das hätte für die Union den Charme, die strategische
Option auf ein rot-rot-grünes Bündnis zu zerstören. Die Grünen
wiederum würden sich von der Fessel befreien, die sie im Augenblick
auf Gedeih und Verderb an die SPD kettet. Aus dieser Sicht waren die
gestrigen Sondierungen keine sinnlose Schauveranstaltung, sondern ein
erstes Rendezvous. Daraus könnte in vier Jahren ein heißer Flirt
werden - unter zwei Bedingungen: Die FDP scheitert beim
Comeback-Versuch. Und die Grünen sind bis dahin bereit, viele
schwarze Kröten zu schlucken.
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