(ots) - Mit einer deftigen Klatsche haben Deutschlands
oberste Richter dem Verfassungsschutz Grenzen aufgezeigt. Dass die
Schlapphüte den heutigen thüringischen Linken-Abgeordneten und
früheren hessischen Gewerkschaftsfunktionär Bodo Ramelow über fast
drei Jahrzehnte ausspähten, verletzt das freie Abgeordnetenmandat und
widerspricht der Verfassung. Es ist gut, dass die Verfassungsrichter
der Tätigkeit des Inlandsgeheimdienstes die rote Karte zeigten. Es
war schlecht, dass der Verfassungsschutz jahrelang glaubte, die
Verfassung nach eigenem Gusto auslegen zu können. Offen bleibt, wieso
die politisch Verantwortlichen für die anrüchige Langzeit-Observation
ungeschoren davonkommen. Zugleich haben die roten Roben in Karlsruhe
jedoch nicht die rosarote Brille aufgesetzt und etwa jedwede
geheimdienstliche Beobachtung von Volksvertretern untersagt. Sie
haben vielmehr strenge Voraussetzungen vorgegeben, unter denen eine
Observierung erlaubt sein kann. Wer sich etwa verfassungsfeindlich
betätigt, egal ob von der ganz rechten oder der ganz linken Seite des
politischen Spektrums, muss mit Beobachtung rechnen. Und zwar völlig
zu Recht. Anders als die Weimarer Republik, die die Extremisten nicht
zu bekämpfen vermochte, ist die bundesdeutsche Demokratie offen und
wehrhaft zugleich. Sollte sie zumindest. Ein Abgeordnetenmandat kann
und darf kein Freibrief für unrechtmäßiges, verfassungsfeindliches
Verhalten sein. Doch der Fall Ramelow wirft auch die Frage auf, wie
es um die Zukunft der deutschen Sicherheitsdienste insgesamt bestellt
ist. Wie die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, wie der
Auslandsgeheimdienst BND oder der Militärische Abschirmdienst künftig
aufgestellt werden, wird öffentlich allerdings kaum thematisiert -
und scheint auch in den anstehenden Koalitionsverhandlungen keine
große Rolle zu spielen. Zumal sich die deutschen Dienste zuletzt
nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Der Verfassungsschutz tappte
bei der NSU-Mordserie jahrelang im Dunkeln. Und der
Bundesnachrichtendienst hat sich offenbar als willfähriger Helfer bei
der Ausspähung von Datensätzen in Deutschland durch den großen
US-Bruder NSA erwiesen. Aufgeklärt ist die Rolle der deutschen
Behörden in dieser Affäre noch längst nicht. Unter dem
CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich, der gegenüber Flüchtlingen
und Asylbewerbern gern den "harten Hund" gibt, wurde der
Kompetenzdschungel der mehr als 30 deutschen Sicherheitsbehörden auf
Länder- und auf Bundesebene zwar etwas gelichtet. Strukturen wurden
gestrafft. Doch der wirkliche Durchbruch zu mehr Effizienz und
Transparenz war dies noch nicht. Trotzdem macht sich der bisweilen
etwas verbissene Oberfranke Hoffnungen, wiederum das Innenressort -
und das damit das Verfassungsministerium - zu führen. Die
Rückendeckung von CSU-Chef Horst Seehofer hat Friedrich offenbar.
Freilich dürfte auch die SPD, wenn sie denn in förmliche
Koalitionsverhandlungen mit der Union eintreten sollte,
Begehrlichkeiten anmelden. Mit dem ehrgeizigen und redegewandten
Innenexperten Thomas Oppermann schicken die Sozialdemokraten zudem
ein politisches Schwergewicht in den Ring. Friedrich oder Oppermann -
das wäre nicht nur eine personelle Weichenstellung, sondern auch eine
inhaltliche Entscheidung, wohin die Reise mit den deutschen
Sicherheitsbehörden gehen soll. Nachhilfeunterricht für die
Schlapphüte aus Karlsruhe sollte es so oder so künftig nicht mehr
geben müssen.
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