(ots) - Es ist noch gar nicht lange her, da waren sich alle
einig: Deutschland, so der allgemeine Tenor, brauche mehr Akademiker.
Vom Wissenschaftsstandort, von der Bildungsrepublik war und ist die
Rede. Nur mit hoch qualifizierten Mitarbeitern sei die gute Stellung
auf den Weltmärkten zu verteidigen, so die einhellige Meinung. Und
nun? Ist die Forderung nach akademischer Ausbildung auf allzu offene
Ohren gestoßen? Droht beim Facharbeiternachwuchs ein Mangel, weil zu
viele die Uni der Werkbank vorziehen? Vielleicht sollte man einfach
mal den Ball flach halten und die Fakten betrachten. Und die sprechen
durchaus immer noch für einen Uni-Abschluss: Die Aussichten auf einen
Arbeitsplatz sind besser und das Gehalt sowieso. Und deshalb
schimmert bei der Furcht von Akademikern vor einer Akademikerschwemme
immer auch ein bisschen die Angst um die eigene erstklassige Stellung
durch. Gleichwohl gilt, dass sich gerade in Zeiten der Wirtschafts-
und Eurokrise das duale System der Berufsausbildung als besonders
robust erwiesen hat. Südeuropäische Länder mit einer
Jugendarbeitslosenquote von mehr als 50 Prozent schauen neidisch nach
Deutschland, wo nur fünf Prozent der Facharbeiter ohne Arbeit sind
und die weitaus meisten Azubis nach der Lehre eine Stelle bekommen.
Deshalb kann es nicht darum gehen, Hochschul- und Berufsausbildung
gegeneinander auszuspielen, beide Qualifikationen werden gebraucht.
Vielmehr muss das Augenmerk auf das brach liegende Potenzial
gerichtet werden - auf die Männer und Frauen, die ohne Berufs- und
oft auch ohne Schulabschluss sind. Denn dieses (Aus-)Bildungsdefizit
setzt eine verhängnisvolle Kette in Gang: Die Menschen finden häufig
keine Arbeit, der Wirtschaft fehlen Fachkräfte, und der Staat muss
einerseits auf Steuereinnahmen verzichten und andererseits hohe
Sozialtransfers leisten. Das mag stark vereinfacht sein, doch in der
Realität sieht es in etwa so aus. Und es kommt noch etwas hinzu -
ganz jenseits der Ökonomie: Qualifizierte Arbeit ist zumeist
erfüllender als ein Hilfsjob und kann im besten Fall für mehr
Lebenszufriedenheit sorgen. Es gibt also viel zu gewinnen.
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