(ots) - Verkehrte Welt? Ausgerechnet das chronisch
klamme Berlin, das es sich auf einem Schuldenberg von über 60
Milliarden Euro bequem gemacht zu haben scheint, glänzt mit satten
Steuermehreinnahmen. Dass der weiß-blaue Freistaat dank sprudelnder
Konjunktur im ersten Halbjahr sogar fast zwei Milliarden Euro mehr an
Steuern einnahm, als er ausgab, war dagegen erwartet worden. Mir san
mir. Auch das die cleveren Sachsen fast einen Milliarden-Überschuss
verzeichnen können, ist nicht ungewöhnlich. Aber nun die Berliner,
diese protzsüchtigen "Wir-sind-arm-aber-Sexy-Preußen". Das geht doch
nicht mit rechten Dingen zu. Oder? Zumindest entfachen die neuesten
Halbjahreszahlen über sprudelnde Steuereinnahmen den Streit über den
künftigen föderalen Finanzausgleich neu. Die beiden Geberländer im
komplizierten Finanzausgleich, Bayern und Hessen, haben bereits -
wahlkampfmäßig hitzig - Verfassungsklage gegen das jetzige
Umverteilungssystem angekündigt. Die Klageschrift für Karlsruhe ist
offenbar nur noch nicht ganz fertig geworden vor den Sommerferien.
Nun ja, mit einem Urteil der akribischen Verfassungsrichter ist ja
auch erst frühestens in zwei bis drei Jahren zu rechnen. Weit nach
den anstehenden Wahlen Landtagswahlen in Bayern und Hessen. So oder
so ist eine Reform des Länderfinanzausgleichs, der in seiner jetzigen
Ausprägung einst maßgeblich vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund
Stoiber auf den Weg gebracht wurde, angezeigt. Gut wirtschaftende
Länder dürfen nicht übermäßig dafür bestraft werden, dass sie so gut
haushalten. Und ärmere Länder dürfen durch den Finanzausgleich nicht
übermäßig "gepampert" werden. Der föderale Transfer zwischen reichen
und ärmeren Ländern muss angemessen erfolgen. Allerdings steckt der
Teufel in diesem komplizierten Finanzgeflecht im Detail. Was ist denn
angemessen? Die jetzigen Zahlen über das sechsmonatige
Steueraufkommen verstellen etwas den Blick auf das grundlegende
Probleme, das dahinter steckt. Man sollte sich von der Momentaufnahme
nicht zu voreiligen Schlüssen verführen lassen. Berlin etwa hatte ein
sattes Plus, das Geberland Baden-Württemberg dagegen ein
Milliardenminus zu verzeichnen. Niemand käme deshalb ernsthaft auf
die Idee, aus Schulden-Berlin ein Geberland und aus dem Ländle ein
Nehmerland zu machen. Die Frage ist vielmehr, ob das jeweilige Land
strukturell, von der Wirtschaftskraft her, in der Lage ist,
nachhaltig einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Oder besser
noch, einen Überschuss zu erzielen. Das fällt wirtschaftlich potenten
Ländern im Süden leichter als den Ländern im Norden oder im Osten.
Der Verfassungsanspruch gleichwertige, nicht gleiche
Lebensverhältnisse herzustellen, gilt aber dort genauso wie im Süden.
Viel kräftiger als der jetzige Länderfinanzausgleich entfaltet zudem
die Schuldenbremse Veränderungsdruck. Kleine Länder dürften es bis
zum Jahr 2020 nicht schaffen, finanziell auf eigenen Füßen zu stehen
und die Haushalte in Ordnung zu bringen. Nicht nur eine - relativ
kleine - Reform des Länderfinanzausgleichs ist vonnöten, sondern
womöglich auch eine grundlegende Länderneugliederung in Deutschland.
Das ist dann wirklich ein dickes Brett zum Bohren.
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