(ots) - Sollte er von irgendwelchen Zweifeln
angekränkelt sein, sei es an sich selbst oder seiner Partei, dann
lässt es Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger im Wahlkampfendspurt
jedenfalls nicht durchschimmern. Er gibt den Mister Selbstbewusst,
hält ungeachtet der deutlich niedrigeren Umfragewerte unverdrossen am
15-Prozent-Ziel für die Landtagswahl fest und rempelt kräftig gegen
den potenziellen Koalitionspartner CSU. Seehofers Kronprinzessinnen
und Prinzen in spe qualifizierte Aiwanger diese Woche pauschal als
Gurkengarde ab, während er die eigene Landtagsfraktion keck aber
unberechtigt als durch die Bank ministrabel einordnete. Jenseits
dieser übertriebenen Kraftmeierei verhält sich Aiwanger aber im
wichtigsten Punkt geschickt: Kategorisch verweigert er zu Recht eine
Koalitionsaussage zugunsten der CSU oder Rot-Grün und erspart sich so
Konflikte in den eigenen Reihen. Warum streiten, wenn erst am 15.
September feststeht, ob die Freien Wähler überhaupt von einem der
beiden Lager als Bündnispartner gebraucht werden? Gemeinsam mit
Rot-Grün reicht es derzeit nicht für eine Mehrheit, für die CSU hat
erst einmal die FDP Priorität. Jenseits aller Unwägbarkeiten: Fünf
Jahre nach dem erstmaligen Einzug ins Maximilianeum haben die Freien
Wähler durchaus Grund, aufrecht aufzutreten. Größter Erfolg war der
erfolgreiche Kampf gegen die Studiengebühren. Generalsekretär Michael
Piazolo hatte mit seiner selbst gefertigten Klage vor dem Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof den Weg für das erfolgreiche Volksbegehren
geebnet. Der Parlamentarische Geschäftsführer Florian Streibl
leistete in den vergangenen Monaten im Untersuchungsausschuss Mollath
sehr solide Aufklärungsarbeit. Piazolo und Streibl haben sich in
Bayern als die zwei wichtigsten Köpfe hinter Aiwanger
herauskristallisiert - auch wenn der Parteichef derzeit weiter
unangefochten die Nummer eins ist. Aiwanger, Piazolo und Streibl
gelten auch als heiße Kabinetts-Kandidaten, falls es im Herbst zu
einer Regierungsbeteiligung der Freien Wähler kommt. Politisches
Potenzial haben aber auch Oberpfälzer Landtagsabgeordnete: Der
Vorsitzende des Innenausschusses, Joachim Hanisch, der
Gesundheitsexperte Karl Vetter und allen voran die Bezirksvorsitzende
Tanja Schweiger. Mit sicherem Gespür setzt sie immer wieder Themen.
Zuletzt machte sie publik, dass die Landeshauptstadt München das
Gewerbesteueraufkommen des Energiekonzerns E.on nicht mit anderen
Kommunen teilen will. Schweigers einziges Handicap ist die
Liebesbeziehung zum Freie-Wähler-Chef. Da offenbar jeder Anschein
einer Bevorzugung vermieden werden soll, verläuft ihre politische
Karriere zuletzt auf Landesebene gebremst. Charakteristikum der
Freien Wähler ist eine Art Anti-Guttenberg-Faktor. Glamour sucht man
vergeblich. Stattdessen punkten die Protagonisten mit regionaler
Verwurzelung und Bodenständigkeit. Die Bürger treffen nicht auf
Lichtgestalten, sondern auf ihresgleichen. Diesen Charme hat sich die
Partei bis heute bewahrt. Bei der Landtagswahl 2008 waren die Freien
Wähler Sammelbecken für enttäuschte CSU-Anhänger. Das
Protestpotenzial hat sich allerdings vielerorts in Luft aufgelöst.
Die CSU hat durch das Wahldebakel vor fünf Jahren Demut gelernt. Für
wie viele Prozente die Freien Wähler unter diesen Voraussetzungen
noch gut sind, wird sich am 15. September zeigen. Viel spricht dafür,
dass Aiwanger nicht der gefeierte 15-Prozent-Sieger sein wird,
sondern kleinere Brötchen backen muss. Doch ein Dämpfer schadet dem
oft Übermütigen sicher nicht.
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