(ots) - Wenn Politik doch so einfach wäre, und
Entscheidungen quasi wie von selbst fallen würden, automatisch
sozusagen. Doch so simpel funktioniert das nicht, was die da in
Berlin anstellen. In der Politik ist alles Kalkül, wer sich dort
behaupten will, muss vorausschauend handeln - und manchmal auch Glück
haben. Glück hat jetzt die Bundesregierung, denn trotz Euro- und
Bankenkrise läuft es in Deutschland, wirtschaftlich gesehen, immer
noch rund. Die gut gefüllten Rentenkassen sind ein Indikator für die
stabile Lage. Dass sich dort bis zum Jahresende voraussichtlich eine
Rücklage in Höhe von 28,8 Milliarden Euro angesammelt haben dürfte,
lässt die schwarz-gelbe Koalition frohlocken. Nach geltendem Recht
heißt das nämlich: Sind die Reserven so hoch, muss der Beitragssatz
gesenkt werden. Im nächsten Jahr allerdings, welch ein schöner
Zufall, ist Bundestagswahl. Da trifft es sich gut, wenn eine
Bundesregierung Erfolge vorweisen und Geschenke verteilen kann. Die
Arbeitnehmer müssen weniger Rentenbeiträge zahlen, die Arbeitgeber
können ihre Lohnnebenkosten reduzieren. Eine feine Sache, gegen die
eigentlich niemand etwas haben könnte und die folglich auch kommen
muss, weil - so die Wirtschaftsvertreter - dieser gesetzliche
Automatismus bei der Beitragssenkung "einfach zwingend" sei. Doch da
unterschätzen die Arbeitgeber die Politik. Zwingend oder
alternativlos, um mal ein Lieblingswort der Kanzlerin zu wählen, ist
die Beitragssatzsenkung nämlich nicht. Zugegeben, sie steht derzeit
im Gesetz, doch was heißt das schon. Alternativen gibt es immer, und
wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir erinnern uns an das Jahr
2008. Auch damals stand eine Bundestagswahl vor der Tür und das
geltende Recht hatte den 20 Millionen Rentner einige Nullrunden
beschert. Durch eine außerplanmäßig beschlossene Rentenanpassung
wurde das von der Großen Koalition kurzerhand korrigiert, und die
Renten stiegen im Wahljahr 2009 um 2,41 Prozent. So einfach ist das
also, wenn politischer Wille im Spiel ist. Dumm nur, dass eine
Beitragssatzsenkung diesmal auch der Bundesregierung nützt. Da zählen
die guten Gründe wenig, die es überlegenswert erscheinen lassen, die
volle Rentenkasse zu nutzen, um Vorsorge zu treffen: für die
Bekämpfung wachsender Altersarmut oder um steigende Reha-Kosten zu
decken, damit die Versicherten in der Lage sind, bis 67 zu arbeiten.
All das wäre sinnvoll, doch jetzt soll verteilt werden - die
Rentenbeiträge werden sinken. Und so gibt es ihn also doch, den
zwingenden Automatismus in der Politik. Diesmal jedenfalls.
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