PresseKat - Nikolaus Schneider: "Frei sein aus Gnade"/ Rede des EKD-Ratsvorsitzenden zum Johannisempfa

Nikolaus Schneider: "Frei sein aus Gnade"/
Rede des EKD-Ratsvorsitzenden zum Johannisempfang in Berlin

ID: 433763

(ots) -

Sperrfrist: 30.06.2011 18:00
Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.

Achtung! Sperrfrist: Donnerstag, 30. Juni 2011, 18.00 Uhr Es gilt
das gesprochene Wort!

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD), Präses Nikolaus Schneider hat in seiner Rede beim
Johannisempfang der EKD am heutigen Donnerstag am Berliner
Gendarmenmarkt unter dem Titel "Frei sein aus Gnade - Freiheit und
Bindung in christlicher Perspektive" verschiedene Perspektiven über
das Thema "Freiheit" entfaltet.

Ausgehend von dem biblischen Zitat "Der Herr ist der Geist; wo
aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit" aus dem 2.
Korintherbrief 3,17 entfaltete Schneider Freiheit als grundlegendes
Thema der christlichen Theologie- und Kirchengeschichte. Die
Evangelische Kirche in Deutschland, so Schneider, verstehe sich noch
heute als "Kirche der Freiheit", die sich "in der Bindung an die
Heilige Schrift dem gegenwärtigen Wirken des Geistes Gottes"
anvertraue. Der Ratsvorsitzende erinnerte an Martin Luther, der von
der "Gefährdung der Freiheit" durch das
"In-sich-selbst-gekrümmt-sein" gewusst habe. Doch der Mensch könne
Befreiung erfahren durch "Gottes Handeln in Jesus Christus", indem
der Mensch Gott glaube und diesem Handeln Gottes vertraue.

Die Bindung an Gottes lebendiges Wort Jesus Christus bewahre
Menschen vor "zerstörerischen Selbstzweifeln". In dieser Bindung, so
Schneider weiter, könnten Menschen sich aus "Selbstüberschätzung und
Selbstbezogenheit" befreien und ihr "menschliches Maß" annehmen. Der
Ratsvorsitzende führte aus, dass es schon Martin Luther darum
gegangen sei, dass "Christenmenschen vor Gott ihre Höllen-Angst
verlieren" und dass sie "Glaubensstärke" und ihre "Glaubensfreiheit"




entdecken und so ihre Verantwortung vor Gott, für die Welt und für
die Mitmenschen wahrnehmen, denn "Freiheit von irdischen Bindungen
und Freiheit als Dienst" gehörten untrennbar zusammen. Deshalb
verkündige und bezeuge eine "Kirche der Freiheit" "keine rein
jenseitige, vertröstende Freiheit, sondern vielmehr eine Freiheit,
die privat und öffentlich verantwortet werden will."

Diese grundlegenden evangelischen Freiheitsmomente legte Schneider
in Bezug auf drei aktuelle politische Großthemen aus. Er betonte,
dass in einem "mehr und mehr multireligiös" werdenden Deutschland
Religionsfreiheit für "Menschen aller Religionen" gelte, allerdings
gemäß der Normierung" des Grundgesetzes. Natürlich führe dieses
"gleichberechtige Miteinander verschiedener Religionen" in einer
Gesellschaft zu "ungewohnten Herausforderungen, manchen Mühen und
auch Verdruss". In diesem Zusammenhang sehe er, Schneider, mit Sorge,
dass "aus Verunsicherung oder aus einer formalistisch gedeuteten
Gerechtigkeit eine einfache und schnelle Lösung darin gesucht wird,
alle Religionen unsichtbar zu machen. Weil keine Religion bevorzugt
werden soll, werden alle öffentlichen Religionsäußerungen abgelehnt."
Dann aber, so Schneider weiter, werde eine Gesellschaft ärmer, wenn
sie nämlich aus diesen Gründen "den Beginn und das Ende des
Schuljahres, einer Legislaturperiode oder einer
Fußballweltmeisterschaft nicht mehr mit einem Gottesdienst feiern
will." Es diene aber der "Lebenskraft einer Gesellschaft", wenn zum
Beispiel "dem Entsetzen und der Fassungslosigkeit" nach großen
Katastrophen "Gebet und Gottesdienst eine Form und eine Sprache
bieten". Und es habe sich gezeigt, dass dieses "nicht nur
konfessionsübergreifend, sondern auch gemeinsam mit Geistlichen
anderer Religionen" möglich sei.

Desweiteren würdigte der Ratsvorsitzende die gegenwärtig geplante
"Energiewende". Sie sei trotz aller kontroversen Diskussionen ein
"grundlegender Schritt in die richtige Richtung". Das Signal eines
solchen Konsenses gehe "weit über die Energiefrage hinaus" und wecke
Hoffnungen, dass es gelingen könne, ein "neues qualitatives
Wachstumsmodell zu entwickeln, das nachhaltiges Wirtschaften fördert
und den Lebensraum zur Gestaltung der Freiheit für künftige
Generationen nicht zerstört."

Schneider wandte sich schließlich unmissverständlich gegen alle,
die "das Friedensprojekt Europa dem wirtschaftlichen Egoismus und
einer aufkommenden Kleinstaaterei" opfern wollen. Die aktuelle
Eurokrise bestätige die Forderungen des Rates der EKD, die dieser
bereits 2009 in seinem Text "Wie ein Riss in einer hohen Mauer"
erhoben hatte. Noch immer, so der Präses, seien die "Fragen der
Regulierung und der Aufsicht über die globalen Finanzmärkte
"weitgehend ungelöst." Die Euro-Krise um Griechenland habe
verschiedene Ursachen, doch wesentlich sei, so Schneider, dass die
ungeregelten Finanzmärkte die Krise treiben. "Wer 18 Prozent Zins und
mehr für Anleihen verlangt, hat der nicht schon längst die Grundsätze
eines ehrbaren Kaufmanns hinter sich gelassen? Die Regulierung der
Finanzmärkte geschehe auch "zur Gewährleistung von Freiheit", so der
Ratsvorsitzende weiter. Das Verleihen von Geld dürfe nicht zum
Verlust freiheitlichen Lebens für die Schuldner führen. Deshalb
müssten Vermeidung von Neuverschuldung und Schuldenabbau ein
vorrangiges Ziel staatlichen Handelns zur Sicherung des sozialen
Zusammenhalts und des Friedens sein.

Abschließend resümierte Nikolaus Schneider, dass "Freiheit in
Verantwortung" immer ein Wagnis sei. Es gelte, nicht nur von Freiheit
zu träumen, sondern sie zu leben - "mit und in aller Zweideutigkeit
und mit der Gefahr, Fehler zu machen". Der Ratsvorsitzende schloss
mit einem Zitat von Dietrich Bonhoeffer: "Nicht das Beliebige,
sondern das Rechte tun und wagen, nicht im Möglichen schweben, das
Wirkliche tapfer ergreifen, nicht in der Flucht der Gedanken, allein
in der Tat ist die Freiheit. Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in
den Sturm des Geschehens, nur von Gottes Gebot und deinem Glauben
getragen, und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen."

Hannover/Berlin, 30. Juni 2011

Pressestelle der EKD

Reinhard Mawick

Es gilt das gesprochene Wort! Achtung! Sperrfrist: Donnerstag, 30.
Juni 2011, 18 Uhr

Der Vorsitzende des Rates der EKD, Präses Nikolaus Schneider

Rede zum Johannisempfang in der Französischen Friedrichstadtkirche
zu Berlin am 30. Juni 2011

"Frei sein aus Gnade - Freiheit und Bindung in christlicher
Perspektive"

Ãœber "Freiheit" wurde und wird philosophiert, gelehrt und
gestritten. Menschen sehnen sich nach Freiheit und träumen von
Freiheit. Menschen kämpfen um ihre Freiheit und sterben für die
Freiheit. Ich erinnere heute an die mutigen Menschen, die in den
Strukturen der DDR kirchliche Räume genutzt haben, um ihre Träume von
Freiheit zu teilen, sich zu organisieren und für politische Freiheit
zu demonstrieren. Und ich erinnere besonders daran, dass in Folge der
politischen Freiheit die verlorene Einheit der Evangelischen Kirche
in Deutschland vor 20 Jahren wiederhergestellt werden konnte.

Reale menschliche Freiheit ist kein statischer Besitz - nicht für
einzelne Menschen und auch nicht für Gesellschaften oder
Institutionen. Freiheit ist immer gefährdet. Sie kann verloren gehen.
Sie zu bewahren, ist eine beständige Aufgabe für uns alle.

Freiheit

ist ein grundlegendes Thema der Menschheitsgeschichte. Das zeigt
sich in den gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen in
Nordafrika, in China und anderswo. Wir alle verfolgen das in den
letzten Wochen und Monaten mit Erstaunen, mit Hoffen und Bangen. Wir
haben aber auch viele Fragen. Wir schwanken zwischen der
Verpflichtung zum aktiven Eingreifen - auch mit militärischen Mitteln
- und der Unsicherheit, ob ein solches Eingreifen gerechtfertigt ist.

Freiheit

ist auch ein grundlegendes Thema unserer christlichen Theologie-
und Kirchengeschichte. "Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des
Herrn ist, da ist Freiheit." ( 2. Korinther 3, 17 ),

Mit dieser Erkenntnis hat der Apostel Paulus vor fast 2000 Jahren
die junge Gemeinde in Korinth ermutigt und gestärkt. Und in Aufnahme
dieser Erkenntnis bekennt und versteht sich die Evangelische Kirche
in Deutschland noch heute als eine "Kirche der Freiheit", die sich in
Bindung an die Heilige Schrift dem gegenwärtigen Wirken des Geistes
Gottes anvertraut.

Die christliche Perspektive des Zusammenhangs von Freiheit und
Bindung fokussiert mein Freiheitsverständnis und die folgenden
Ausführungen.

I.Frei sein aus Gnade: In der Bindung an Gottes lebendiges Wort
Jesus Christus wird Menschen Freiheit gegenüber irdischer Autorität
geschenkt!

Martin Luther wusste von der Gefährdung der Freiheit durch das
"In-sich-selbst-gekrümmt-Sein" des Menschen. Dieses Bild beschreibt
in der Theologie seiner Zeit die Folgen der Sünde: In sich selbst
verkrümmt existiert der Mensch wie in einem Gefängnis. Daraus kann er
Befreiung erfahren durch Gottes Handeln in Jesus Christus, indem er
diesem Handeln vertraut, Gott glaubt. Er wird frei aus Gnade.

Frei sein aus Gnade - das ist also nicht der Gegenwert für
menschliches Bemühen und menschliche Leistung.

Frei sein aus Gnade - das ist das Geschenk Gottes an alle, die ihr
Leben an das lebendige Gotteswort Jesus Christus binden.

Freiheit in christlicher Perspektive ist nicht ohne Bindung an
Gott zu denken und zu leben. Gottesbeziehung und ein Leben in der
Nachfolge des Auferstandenen sind Quelle und Richtschnur für die
Freiheit des Menschen.

Die Bindung an Jesus Christus bewahrt Menschen vor zerstörerischen
Selbstzweifeln. In dieser Bindung können Menschen sich aus
Selbstüberschätzung und Selbstbezogenheit befreien und ihr
menschliches Maß akzeptieren. Menschliches Maß heißt für mich:

-die Begrenztheit, die Zeitbedingtheit und die Vergänglichkeit
alles Irdischen; -die Fehlbarkeit des menschlichen Denkens, Planens,
Entscheidens und Handelns, aber auch die Fähigkeit zu Korrektur, zu
Reue, zu Umkehr und Neuanfang.

"Frei sein aus Gnade" ist kein geistiger oder geistlicher
"Ãœberbau", sondern muss konkret gelebt werden, und zwar als Freiheit
in Bindung an Gott und als Freiheit in Verantwortung für die
Mitmenschen.

Diese zweiseitige Ausrichtung christlicher Freiheit hat Luther in
seiner Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" 1520 als
Doppelthese formuliert:

"Ein Christenmensch ist ein freier Herr - wir ergänzen heute: und
eine freie Herrin - über alle Dinge und niemandem untertan.

Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht - und eine
dienstbare Magd - aller Dinge und jedermann untertan."

Martin Luther ging es darum, dass Christenmenschen vor Gott ihre
Höllen-Angst verlieren, dass sie ihre Glaubens-Stärke und ihre
Glaubens-Freiheit entdecken und dass sie ihre Verantwortung vor Gott,
für die Welt und für die Mitmenschen wahrnehmen.

Freiheit von irdischen Bindungen und Freiheit als Dienst gehören
untrennbar zusammen. Eine "Kirche der Freiheit" verkündigt und
bezeugt also keine rein jenseitige, vertröstende Freiheit, sondern
vielmehr eine Freiheit, die privat und öffentlich verantwortet werden
will.

II.Frei sein aus Gnade: Die Bindung an Gottes lebendiges Wort
Jesus Christus ruft die Kirche in den Dienst gesellschaftlicher
Verantwortung!

In der Barmer Theologischen Erklärung heißt es in These 5: "Die
Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die
Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche
steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens
unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu
sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die
Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an
Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der
Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des
Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt."

Christenmenschen beanspruchen für ihre Kirche keine politische
Macht. Kirche darf sich allerdings auch nicht darauf beschränken, die
Frömmigkeit der Einzelnen zu bündeln und ihr Formen und Ordnungen zu
geben. Denn das Evangelium drängt dazu, die Welt zu einem
nachhaltigen Leben in Gerechtigkeit und Frieden zu verändern. Um es
mit Worten von Johannes Rau zu sagen:

"Diese Welt, die im Argen liegt, soll da nicht liegen bleiben,
denn sie ist die von Gott geliebte Welt. Weil Gott diese Welt liebt,
darum will er, dass wir an ihrer Veränderung, an ihrer Verbesserung
arbeiten... Das ist der Auftrag der Christenheit, und darum haben
sich Christen einzumischen in das Geschehen dieser Welt." (M.
Schreiber (Hrsg.): Wer hofft, kann handeln, Predigten von Johannes
Rau, S. 56)

Zu dieser der christlichen Kirche gebotenen öffentlichen
"Einmischung" seien mir drei konkrete politische Anmerkungen
erlaubt:

Erstens:

Deutschland wird zunehmend multireligiös. Religionsfreiheit gilt
ohne Frage für Menschen aller Religionen gemäß der Normierung unseres
Grundgesetzes. Das gleichberechtigte Miteinander verschiedener
Religionen in einer Gesellschaft zu gestalten, führt zu ungewohnten
Herausforderungen, manchen Mühen und auch Verdruss. Ich sehe in
diesem Zusammenhang mit Sorge, dass aus Verunsicherung oder aus einer
formalistisch gedeuteten Gerechtigkeit eine einfache und schnelle
Lösung darin gesucht wird, alle Religionen unsichtbar zu machen. Weil
keine Religion bevorzugt werden soll, werden alle öffentlichen
Religionsäußerungen abgelehnt.

Eine Gesellschaft wird aber ärmer, wenn sie zum Beispiel den
Beginn und das Ende des Schuljahres, der Legislaturperiode eines
Parlamentes oder den Auftakt einer Fußballweltmeisterschaft nicht
mehr mit einem Gottesdienst feiern kann. Und es dient der Lebenskraft
einer Gesellschaft, wenn dem Entsetzen und der Fassungslosigkeit nach
großen Katastrophen Gebet und Gottesdienst eine Form und eine Sprache
bieten. Betroffene Menschen erfahren dadurch Befreiung aus lähmender
Verzweiflung. Es hat sich gezeigt, dass dies nicht nur
konfessionsübergreifend, sondern auch gemeinsam mit Geistlichen
anderer Religionen möglich ist.

Zweitens:

Unsere Generation steht vor einer grundlegenden Verständigung über
nachhaltiges Wirtschaften und Leben in Verantwortung vor Gott und den
nachfolgenden Generationen. Bei allen kontroversen Diskussionen der
verschiedenen politischen Themen - die, das möchte ich heute
besonders betonen, natürlich in erster Linie im Parlament transparent
geführt und entschieden werden müssen: Ich bin davon überzeugt, dass
die gegenwärtig geplante "Energiewende" ein grundlegender Schritt in
die richtige Richtung ist. Aber ebenso klar ist auch: Für den
Einstieg in eine neue, zukunftsfähige Energieversorgung brauchen wir
einen breiten zivilgesellschaftlichen Konsens. Das Signal eines
solchen Konsenses geht weit über die Energiefrage hinaus. Es weckt
die Hoffnung darauf, dass es gelingen kann, ein neues qualitatives
Wachstumsmodell zu entwickeln, das nachhaltiges Wirtschaften fördert
und den Lebensraum zur Gestaltung der Freiheit für künftige
Generationen nicht zerstört.

Drittens:

"Gottes Gebot und Gerechtigkeit" (s. Barmer Theologische
Erklärung, These 5) wollen im Besonderen die Lebensrechte der Armen,
Schwachen und Fremden schützen und sie davor bewahren, im "freien
Spiel" des gesellschaftlichen Wettbewerbes unterzugehen. Politische
Entscheidungen, ausgerichtet an den Grundgedanken von Solidarität und
Gerechtigkeit, geben dem Zusammenhalt innerhalb einer Gesellschaft
ein tragendes Fundament.

Das gilt auch für die Gemeinschaft der Staaten. Wir wollen allen
denen, die das Friedensprojekt Europa dem wirtschaftlichen Egoismus
und einer aufkommenden Kleinstaaterei zu opfern bereit sind,
unmissverständlich entgegentreten.

Die aktuelle Euro-Krise bestätigt die Forderungen des Rates der
EKD in seinem Wort "Wie ein Riss in einer hohen Mauer" zur globalen
Finanzmarktkrise aus dem Jahr 2009. Noch immer sind Fragen der
Regulierung und der Aufsicht über die globalen Finanzmärkte
weitgehend ungelöst. Die Euro-Krise um Griechenland hat verschiedene
Ursachen. Eine scheint mir wesentlich zu sein: Die Finanzmärkte
reagieren nicht nur auf diese Krise, es sind vielmehr ungeregelte
Finanzmärkte, die die Krise treiben. Wer 18 Prozent Zins und mehr für
Anleihen verlangt, hat der nicht schon längst die Grundsätze eines
ehrbaren Kaufmanns hinter sich gelassen? Die Regulierung der
Finanzmärkte geschieht also auch zur Gewährleistung von Freiheit.
Denn das Verleihen von Geld darf nicht zum Verlust freiheitlichen
Lebens für die Schuldner führen. Vermeidung von Neuverschuldung und
Schuldenabbau müssen ein vorrangiges Ziel staatlichen Handelns zur
Sicherung des sozialen Zusammenhalts und des Friedens sein. Das
Senken von Zinslasten ist mit nachhaltigem Freiheitsgewinn verbunden.
Davon profitieren alle Menschen einer Gesellschaft.

III. Frei sein aus Gnade: Die Bindung an Gottes lebendiges Wort
Jesus Christus ruft alle Christenmenschen zum Wagnis verantwortlichen
Tuns!

Persönliche Freiheit in Verantwortung vor Gott und gegenüber
anderen Menschen zu leben und sich dabei auf sein eigenes Gewissen
ohne Bevormundung zu berufen, das war ein Leitgedanke der
Reformation. Dieser Gedanke löste einen unerhörten Schub an
Selbstbewusstsein aus und beförderte den aufrechten Gang. Wegen
dieses Gedankens schrieb Luther seine Katechismen, wegen dieses
Gedankens forderte Philipp Melanchthon eine Schulbildung für alle.
Friedrich Schorlemmer formuliert es heute so:

"Eine freie Entscheidung braucht Wissen, worum es geht, was zur
Entscheidung ansteht, welche Alternativen vorliegen, welches die
Folgen der eigenen Entscheidung wären. Die freie Entscheidung braucht
schließlich das Wagnis des Handelns, wissend, dass nie alles ganz gut
ist, sondern alles an der Zweideutigkeit des Lebens teilhat.... Wer
Freiheit will, muss Dummheit bekämpfen. Oder, lieber positiv
ausgedrückt: er muss auf Bildung setzen." (Friedrich Schorlemmer: Da
wird auch dein Herz sein, Freiheit gewinnen, S. 150)

Freiheit in Verantwortung will immer gewagt sein. Es gilt, nicht
nur von Freiheit zu träumen. Es gilt, sie zu leben - mit und in aller
Zweideutigkeit und mit der Gefahr, Fehler zu machen. Dazu ermutigt
Dietrich Bonhoeffer. Er erkannte jede an Gottes Wort gebundene Tat
als eine Station auf dem Weg der Freiheit:

"Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, nicht im
Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen, nicht in der
Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit. Tritt aus
ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, nur von Gottes
Gebot und deinem Glauben getragen, und die Freiheit wird deinen Geist
jauchzend empfangen." (Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung,
Gefängnisgedichte, S. 571)



Pressekontakt:
Evangelische Kirche in Deutschland
Reinhard Mawick
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
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