(ots) - Recht auf Daten
Weil Finanzämter und Sozialbehörden immer öfter die Kontendaten
von Bürgern abfragen, hat kürzlich der Bundesdatenschutzbeauftragte
Peter Schaar Alarm geschlagen. Mit seiner öffentlichkeitswirksamen
Forderung, die Befugnisse der Behörden deshalb deutlich zu
beschränken, legt Schaar ein Verständnis von Datenschutz an den Tag,
das der Realität in der globalen Datenwelt um Jahre hinterherhinkt.
Denn dort sind der Verkauf und die Veröffentlichung von persönlichen
Daten im großen Maßstab längst ein gängiges Mittel, um
wirtschaftliche, politische und persönliche Interessen durchzusetzen.
Daten sind Macht - und diese Macht entzieht sich jeder juristischen
Kontrolle. Erst vor wenigen Tagen hat zum Beispiel Facebook
angekündigt, Software-Entwicklern und Website-Betreibern die
Telefonnummern und Adressen von Mitgliedern zugänglich zu machen.
Zwar ruderte das Management des Online-Netzwerks nach heftigen
Protesten von Nutzern und Datenschützern ein wenig zurück.
Grundsätzlich hält Facebook aber an seinen Plänen weiterhin fest.
Steuer- und Sozialfahnder müssen die Daten für ihre Ermittlungen in
jedem Einzelfall gezielt abfragen. Im weltweiten Netz sind dagegen
automatisierte Programme am Werk, sogenannte Bots, die
Nutzer-Informationen aus allen verfügbaren Quellen abgreifen,
abgleichen und verknüpfen. Je mehr Daten Anbieter wie Facebook oder
Google ins Netz stellen, desto leichter und detaillierter lassen sich
Einzelheiten über jeden Menschen sammeln, der sich im Internet
bewegt. Diese Datensätze sind zum Beispiel für die Werbewirtschaft
eine begehrte und teuer zu verkaufende Ware. Weniger aus monetären,
sondern mehr aus politischen Motiven heraus enthüllt die Plattform
Wikileaks in riesigem Umfang Daten, die andernfalls nie das Licht der
Weltöffentlichkeit erblickt hätten. Für den einzelnen Betroffenen
können die Auswirkungen katastrophal sein, wie das Beispiel von Berry
Smutny zeigt: Der Chef des Bremer Galileo-Satellitenbauers OHB verlor
seinen Job, nachdem auf Wikileaks Gesprächsprotokolle aufgetaucht
waren, laut denen er das Galileo-Projekt gegenüber US-Diplomaten als
"Unfug" bezeichnet haben soll. Das Perverse an diesem Fall: OHB
glaubt erklärtermaßen Smutny seine Beteuerungen, er habe die
fraglichen Aussagen nie getätigt - warf ihn aber trotzdem raus, um
einen Image-Schaden zu vermeiden und die wichtigen französischen
Galileo-Partner zu besänftigen. Ähnlich könnte es rund 2000
angeblichen Steuerbetrügern gehen, die demnächst am Pranger von
Wikileaks landen sollen: Rudolf Elmer, ein ehemaliger Mitarbeiter des
Schweizer Bankhauses Julius Bär, hat der Plattform eine Liste mit
ihren Kontendaten zur Verfügung gestellt. Dass Elmers Motive für die
Weitergabe der Daten zumindest fragwürdig sind - die
Staatsanwaltschaft Zürich wirft ihm vor, seinen ehemaligen
Arbeitgeber bedroht und erpresst zu haben - wird den Betroffenen kaum
helfen. Selbst falls sich später ihre Unschuld erweisen sollte, ist
ihr Ruf zerstört - und in vielen Fällen auch ihre berufliche oder
geschäftliche Existenz. Die Beispiele zeigen: Die Gefahr für das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung geht nicht von Behörden
aus, die - immerhin auf der Basis von Recht und Gesetz - in ein paar
Tausend Fällen Kontodaten abfragen, um Steuer- und Sozialbetrüger
dingfest zu machen. Deshalb ist auch nicht einzusehen, warum
ausgerechnet der Staat sich selbst durch eine überkommene Auffassung
von Datenschutz in der Durchsetzung seiner berechtigten Interessen
behindern sollte.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten(at)mittelbayerische.de