(ots) - Was der Runde Tisch zu Kindesmissbrauch bislang
erarbeitet hat, dürfte den beteiligten Politikerinnen und Politikern
ein seltenes Erlebnis bescheren - nämlich eine breite Zustimmung in
der Bevölkerung. Schließlich plädiert die große Mehrheit der
Deutschen dafür, sexuellen Missbrauch strenger zu ahnden und die
Rechte der Opfer zu stärken. In einer Umfrage, die die Deutsche
Kinderhilfe in Auftrag geben hat, sprachen sich im April 87 Prozent
der Befragten dafür aus, die Verjährungsfristen für sexuellen
Missbrauch ganz abzuschaffen. Die jetzt angedachte Verlängerung der
zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei auf 30 Jahre - wichtig für
die Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld - ist ein
deutlicher und richtiger Schritt in diese Richtung. Wohlwollen
gebührt den drei federführenden Ministerinnen auch für ihr - für
politische Verhältnisse - schnelles Handeln. Ende Januar hatte die
Berliner Morgenpost die Missbrauchsdebatte durch ihre Berichte über
die skandalösen Vorfälle am Canisius-Kolleg angestoßen. Im April
tagte der Runde Tisch erstmals, und nun liegt bereits ein Entwurf für
ein Gesetz vor. An diesem durften zudem Menschen mit einem auf
traurige Weise erworbenen Expertenwissen mitwirken: die Vertreter von
Opferverbänden. Sie haben am Runden Tisch eine Stimme bekommen - umso
wichtiger, weil es so vielen Opfern sexuellen Missbrauchs nachhaltig
die Sprache verschlägt. Doch nicht umsonst soll der Runde Tisch noch
bis Ende nächsten Jahres existieren. Es gibt noch viel anzustoßen,
gerade hinsichtlich der Prävention solcher Verbrechen an den jüngsten
und hilflosesten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Die wichtigste
Aufgabe kann die Politik allerdings kaum übernehmen. Denn es ist der
höchst persönliche Auftrag von Müttern und Vätern, ihre Kinder zu
starken Kindern zu erziehen. Zu kleinen Menschen, die ihre Rechte
kennen und wahrnehmen und selbstbewusst und deutlich "Nein" sagen,
wenn ihnen etwas merkwürdig vorkommt. Es erscheint so leicht, dieses
kleine Wort im Sprachschatz der Kinder so zu verankern, dass es im
richtigen Moment parat ist. Doch tatsächlich müssen Eltern dafür den
Spagat meistern, ihre Töchter und Söhne aufzuklären und zu
Wachsamkeit anzuleiten, ohne ein Zuviel an Misstrauen und Angst
Erwachsenen gegenüber zu schüren. Führt man sich darüber hinaus vor
Augen, dass der überwiegende Teil der Missbrauchsfälle hierzulande im
engsten Umfeld der Kinder stattfindet - der Familie, der
Nachbarschaft, der Schule, dem Verein -, wird die Schwere der Aufgabe
noch deutlicher. Der Vater, der Onkel, der Lehrer, der Trainer: Sie
sind Vertrauenspersonen, die selbst schwer missbrauchte Kinder oft
lieber schützen als die Täter anzuklagen - aus Liebe, aus Scham, aus
Angst, der ganzen Familie Schmerz zuzufügen. Es ist gut, dass das
Thema Kindesmissbrauch kein Tabu mehr ist und eine immer größere
Öffentlichkeit findet. Kinder und ihre Eltern brauchen das
aufmerksame Hingucken von uns allen. Und es kann gar nicht genug
Hilfsangebote, Aufklärungskampagnen und Bücher geben, die Familien
dabei unterstützen, ihre Kinder zu schützen und zu stärken.
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