(ots) - Es war ja erst der Auftakt. Der kleinen Keilerei um
die Laufzeitverlängerung gestern im Bundestag wird in der kommenden 
Woche eine große Landpartie Richtung Gorleben folgen, wo man mit ein 
paar Zehntausend Menschen rechnet, die gegen die Atomkraft 
demonstrieren werden - gegen das Endlager in Gorleben, gegen die 
Energiekonzerne und natürlich auch gegen die schwarz-gelbe Regierung,
die dieser fast schon eingeschlafenen Protestbewegung mit ihren 
jüngsten Entscheidungen eine enorme Dynamik verpasst hat. Angela 
Merkel, Rainer Brüderle und ihre verbliebenen Anhänger werden sich 
eines Tages fragen müssen, ob es das wert war. Ob es sich gelohnt 
hat, den Ausstieg aus dem Ausstieg zu diesem Zeitpunkt durchzusetzen 
und damit das, was unsere Gesellschaft angesichts der absehbaren 
Unzulänglichkeit unserer bisherigen Stromversorgung tatsächlich 
braucht, in weite Ferne zu rücken: einen nationalen Energiekonsens. 
Eine gesellschaftliche Einigung über die Versorgungsquellen und 
Versorgungswege der Zukunft, die Bestand hat auch über den nächsten 
Regierungswechsel hinaus. Stattdessen hat man den Weg der 
Konfrontation gewählt, der möglicherweise vor dem 
Bundesverfassungsgericht endet oder nach den nächsten Wahlen. 
Gewonnen ist jedenfalls mit der gestrigen Abstimmung nichts, für 
niemanden. Der Bundesbürger ist ja sehr labil geworden bei seiner 
politischen Entscheidungsfindung. Die derzeitige Tendenz der 
Meinungsumfragen deutet jedenfalls nicht darauf hin, dass der 
schwarz-gelbe Kurs in der Energiepolitik auf mittlere Sicht 
mehrheitsfähig sein könnte. Dabei ist das, was Norbert Röttgen 
federführend vorgelegt hat, zum großen Teil tatsächlich 
zukunftsweisend. Schadstoffreduktion, Ausbau und Förderung der 
erneuerbaren Energien, Ausbau des Leitungsnetzes, das alles ist zwar 
keine "Revolution", wie der Bundesumweltminister gestern meinte. Aber
es ist ökonomisch und ökologisch notwendig, politisch durchsetzbar 
und ein großer Gewinn gegenüber rot-grüner Tatenlosigkeit. Jürgen 
Trittin und Klaus Wowereit, gestern verbalradikal wieder ganz weit 
vorn, hatten zwei Legislaturperioden Zeit, Lösungen zu finden, sei es
für den unstreitig nötigen Aus- und Neubau der großen Stromnetze, sei
es für die Endlagerung. Geliefert hat Rot-Grün damals nicht, man hat 
es noch nicht mal versucht. Umso bedauerlicher, dass Schwarz-Gelb die
Menschen jetzt wieder in die Arme der Destruktion treibt. Indem sie 
die Laufzeiten der Atomkraftwerke zur Unzeit, ohne Not, zu pauschal 
und ohne den eigenen Ausstiegswillen glaubwürdig zu dokumentieren, 
verlängert. Indem sie den für eine dauerhaft akzeptierte 
Energiepolitik nötigen Kommunikationsprozess vermeidet, 
beziehungsweise vergurkt, stattdessen mit dem Kopf durch die Wand 
will und dabei auch noch den Eindruck hinterlässt, willfähriges 
Werkzeug der großen Energiekonzerne zu sein. Die dazu passenden Fotos
werden in der kommenden Woche in Gorleben geschossen, wo alles wieder
sein wird wie früher. Kein Fortschritt, nirgendwo.
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