(ots) - Die ehemalige Ministerin für Arbeit und
Sozialordnung des Landes Baden-Württemberg, Katrin Altpeter, hat ihre
Mitarbeit in der sogenannten Vergabekommission der Brüdergemeinde
Korntal aufgekündigt. "Report Mainz" liegt exklusiv ihr
Rücktrittsschreiben vor, in dem sie schwere Vorwürfe gegen die
Brüdergemeinde erhebt.
Vor drei Wochen hatte die Evangelische Brüdergemeine Korntal
entscheidende Fortschritte im Prozess um die Aufarbeitung des
Missbrauchsskandals in ihren Kinderheimen bis in die 80er Jahre
angekündigt. Laut einer Pressemitteilung vom 13. Oktober sollte die
"konkrete Aufklärung" Ende 2017 abgeschlossen sein und ein
Abschlussbericht "im ersten Halbjahr 2018" vorgelegt werden. Zudem
wurde eine Vergabekommission aus "vier unabhängigen und beruflich
qualifizierten Mitgliedern" berufen, die die Aufgabe hat, über die
Höhe der finanziellen Anerkennungsleistung für jedes Opfer, das im
laufenden Verfahren einen Antrag gestellt hat, zu entscheiden.
Als Grund für ihren Rücktritt aus der Vergabekommission teilte
Katrin Altpeter mit, sie sehe sich "nicht in der Lage, in einem
Klima, in dem skeptische Worte oder das Hinterfragen bestimmter Dinge
als 'Irritation' gelten, sinnvoll zu arbeiten". Weiter schreibt sie,
es sei ihr ein "großes Anliegen" gewesen, das Geschehen in der
Heimerziehung des Landes aufzuarbeiten und "etwas für die Opfer zu
tun". Sie hätte von der Brüdergemeinde einen transparenten und
nachvollziehbaren Prozess erwartet, doch sei sie in ihren Erwartungen
"leider enttäuscht" worden.
Klaus Andersen, weltlicher Vorsteher der Gemeinde, erklärte
gegenüber "Report Mainz", er sei gestern informiert worden, dass Frau
Altpeter für eine Mitarbeit in der Vergabekommission nicht mehr zur
Verfügung stehe: "Wir haben dies zur Kenntnis genommen und folgen dem
Vorschlag der Moderatoren, uns über die Hintergründe dieser Absage
und die weitere Vorgehensweise zeitnah im Rahmen einer Sitzung der
Auftraggebergruppe auszutauschen." Die Auftraggebergruppe gestaltet
den Aufarbeitungsprozess und besteht unter anderem aus ehemaligen
Heimkindern und aus Vertretern der Evangelischen Brüdergemeinde
Korntal. Darüber, wie es mit dem Aufarbeitungsprozess jetzt
weitergeht, will sich Klaus Andersen derzeit nicht äußern. "Report
Mainz" teilt er mit: "Da wir uns in diesem Aufklärungsprozess für
einen Weg der Partizipation entschieden haben, der im Wesentlichen
von den Entscheidungen der Auftraggebergruppe bestimmt wird, bitten
wir um Verständnis, dass wir uns zum aktuellen Zeitpunkt nicht näher
zu diesem Sachverhalt äußern können."
Zum Hintergrund:
2014 kamen die Missstände in den Kinderheimen von Korntal durch
die Schilderungen des Betroffenen Detlev Zander erstmals ans Licht.
Die Vorwürfe umfassten Gewalt, sexuellen Missbrauch und Demütigung.
Im Mai 2017 berichtete "Report Mainz" über erste Ergebnisse der von
der Brüdergemeinde eingesetzten unabhängigen Aufklärer, die ehemalige
Richterin Dr. Brigitte Baums-Stammberger und der
Erziehungswissenschaftler Prof. Benno Hafeneger. Dem Politikmagazin
gab Hafeneger zu Protokoll: "Der Aktenbestand gibt her, dass es
sexualisierte Gewalt gab, dass diese Form von Gewalt auch
thematisiert worden ist, dass die auch in den Gremien verhandelt
worden ist, das heißt, dass mehrere von diesen Vorfällen wussten."
Brigitte Baums-Stammberger führte bisher etwa 65 Gespräche mit
Betroffenen, die einen Antrag auf Anerkennung stellen möchten. Im Mai
schilderte Baums-Stammberger gegenüber "Report Mainz", "An
Straftatbeständen auch nach der damaligen Rechtslage, sind regelmäßig
gefährliche Körperverletzungen vorgekommen, nämlich
Körperverletzungen mit Gegenständen, es sind einfache
Körperverletzungen vorgekommen, es sind Freiheitsberaubungen
vorgekommen. Und es ist sexueller Missbrauch, auch schwerer sexueller
Missbrauch vorgefallen."
2014 erklärte sich die Brüdergemeinde Korntal erstmals zu einer
Aufarbeitung des Skandals bereit. Doch von Anfang an war der Prozess
geprägt von Misstrauen seitens der Opfer. Immer wieder mahnten
Betroffene ein mangelndes Mitspracherecht und Transparenz an. Das
laufende Verfahren wird von den verschiedenen Opfergruppierungen
unterschiedlich bewertet. So wirft die Gruppe "Heimopfer Korntal" in
einer aktuellen Erklärung der Brüdergemeinde vor, "das von einigen
ihrer Mitglieder begangene Unrecht schnell, oberflächlich, von der
Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt und für die Gemeinschaft
möglichst kostengünstig zu Ende zu bringen." Dagegen bezeichnet die
"Arbeitsgemeinschaft Heimopfer Korntal" in einer Pressemitteilung vom
30. Oktober den laufenden Prozess der Aufklärung als, "insgesamt
erfolgreich".
Zitate gegen Quellenangabe frei. Weitere Informationen auf
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Mainz", Tel. 06131 929 33351 oder -33352.
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