(ots) - Vier Millionen Muslime leben in Deutschland, und sie
werden auf Dauer hier bleiben. Sie beten in tausenden Moscheen,
besuchen die Schulen und Universitäten. Der Islam ist damit faktisch
Teil der deutschen Gesellschaft. Dies auszusprechen, wie es
Bundespräsident Christian Wulff in seiner so heftig diskutierten Rede
tat, ist also eine Binsenweisheit. Man sollte Wulff wörtlich nehmen.
Denn wer nun den Koran gegen die christlich-jüdische Kultur
ausspielen will und die Scharia gegen die Demokratie, missversteht
Wulffs Anliegen nicht nur absichtlich, er schürt überdies Ängste vor
einer vermeintlichen kulturellen Bedrohung. Das Aufheulen der
Kritiker ist ein Stück weit selbstentlarvend, denn es zeigt, an
welchem Stand der Integrations-Debatte sie sich befinden: ganz am
Anfang. Offensichtlich geht es ihnen nicht um die Fakten, nicht um
Wulffs Wortlaut, sondern um Abgrenzung. Der Islam soll nicht Teil der
abendländischen Kultur sein dürfen. Das ist nicht nur historisch
falsch, wenn man den wertvollen Beitrag islamischen Wissens für die
europäische Kultur betrachtet, sondern übersieht auch die Chance, die
ein kultureller Beitrag für die Zukunft bieten kann. Ob dieser wächst
und fruchtbar wird, liegt auch an Deutschland. Genau dies hat Wulff
erkannt und ausgesprochen: "Die Zukunft, davon bin ich felsenfest
überzeugt, gehört den Nationen, die offen sind für kulturelle
Vielfalt, für neue Ideen." Wie Recht er damit hat, lässt sich an
jeder Spitzenuniversität, jedem internationalen Management-Team und
jeder Fußballmannschaft beobachten. Doch Wulff hat, und das geht in
dem Krach unter, nicht nur in rührender Art den Muslimen die Hand
ausgestreckt. Er hat auch gefordert: "Es ist Konsens, dass man
Deutsch lernen muss, wenn man hier lebt. Es ist Konsens, dass in
Deutschland deutsches Recht und Gesetz zu gelten haben." Und weiter:
"Wir brauchen viel mehr Konsequenz bei der Durchsetzung von Regeln
und Pflichten." Darauf werden sich auch Wulffs Kritiker einigen
können. Er heißt also jene Muslime willkommen, die unsere Sprache,
unsere Rechtsauffassung und unsere Demokratie nicht nur akzeptieren,
sondern auch leben. Wer dies nicht kann oder will, ist eben nicht
willkommen. Die christlich-jüdisch-abendländische Kultur und
Tradition, beruhend auf der Aufklärung, der Trennung von Staat und
Religion und einer zukunftsorientierten Wissenschaft, steht nicht zur
Disposition. Und man sollte noch einmal an den Anlass der Rede
erinnern: "Wir feiern heute, was wir vor 20 Jahren erreicht haben:
Einigkeit und Recht und Freiheit." Dahinter gibt es kein Zurück.
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