(ots) - Inzwischen hat es wieder jeder schon immer
gewusst. Dass der jüngste Staat der Welt bereits zweieinhalb Jahre
nach seiner Geburt im Chaos zu versinken droht, wird in
Expertenkreisen als neueste - und vor allem vermeidbare -
diplomatische Schlappe des Westens betrachtet: Die einflussreichen
Freunde des Südsudans in New York, Washington und London hätten sehen
müssen, dass das junge Staatsschiff bereits bei seinem Stapellauf in
Schieflage geraten war, heißt es. Längst hätten die nötigen
Gegenmaßnahmen getroffen werden müssen. Merkwürdig nur, dass keiner
früher Alarm geschlagen hat. In Wahrheit waren die Experten nämlich
genauso überrascht von der Geschwindigkeit, mit der die junge Nation
in den vergangenen zwei Wochen in den Konflikt schlitterte. Als
größte Gefahr für den christlichen Süden, der sich vom
islamistischen Norden abgespaltet hatte, war das Regime in Khartum
betrachtet worden. Seinen Machenschaften galt die ganze
Aufmerksamkeit, während die Fehlentwicklungen im Süden als
Kinderkrankheiten kleingeredet wurden. Wer wollte die haarsträubende
Korruption in Südsudans Heimatstadt Juba kasteien, während das Land
von Khartum in einen neuen Krieg verwickelt zu werden drohte? Und wer
wollte den Regierenden im Südsudan ihre nicht unter Kontrolle
gebrachten ethnischen Konflikte vorwerfen, wenn diese doch auf
Destabilisierungsbemühungen aus dem Norden zurückzuführen waren? Nun,
so war es eben nicht, wie sich spätestens jetzt herausstellt.
Keineswegs alle Probleme der jungen Nation wurden im Norden gemacht.
Damit stellt sich dann aber doch die Frage, warum die sich
zuspitzende innenpolitische Krise in Juba der westlichen
Diplomatenwelt verborgen blieb - und wenn nicht, warum etwa die
Chefin der UN-Mission im Südsudan, Hilde Johnson, nicht früher Alarm
schlug. Der ehemaligen norwegischen Entwicklungsministerin wird
selbst von Mitgliedern ihrer Mission eine zu behagliche Nähe zum
südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir vorgeworfen. So habe sie
weder dessen autokratische Tendenz noch die Bevorzugung des eigenen
Volks der Dinka wahrgenommen - auf diese Weise sei der Grundstein für
Südsudans "Dinkakratie" gelegt worden, wird jetzt eingewandt.
Spätestens als Kiir im Juli sein gesamtes Kabinett einschließlich
seines Stellvertreters Rieck Machar austauschte, hätte die
Vertreterin des Staatenbundes Alarm schlagen müssen. Nichts
dergleichen ist aber geschehen. Rebellenchef Kiir war offenbar der
Ãœberzeugung, dass er seine Kritiker - allen voran Rieck Machar vom
Volk der Nuer - ausschalten könnte. Ein verhängnisvoller Irrtum, den
Tausende von Südsudanesen nun mit dem Leben bezahlen. Warum dem
früheren Rebellenchef das Diplomatencorps nicht in die Arme fiel, ist
eine Frage, die nun in New York und Washington beantwortet werden
muss. Die internationale Gemeinschaft und vor allem der amerikanische
Mentor des Südsudans hätten gewiss genug Einfluss gehabt, den
autoritären Staatschef von seinem Konfrontationskurs abzubringen.
Gleichwohl sind solche Fragen bald nur noch für Historiker
interessant. Aktuell geht es darum, den Südsudan vor dem drohenden
Bürgerkrieg zu bewahren. Derzeit versuchen Rebellen-Milizen nach
Angaben der Armee, die strategisch wichtige Stadt Bor
zurückzuerobern. In den übers ganze Land verteilten Lagern der
Vereinten Nationen haben fast 100000 Menschen Schutz gefunden. Auch
wenn die Flüchtlinge dort unter miserablen Bedingungen hausen,
befinden sie sich zumindest in Sicherheit. Ãœberraschend schnell hat
die UNO zudem eine Aufstockung ihrer Blauhelmtruppe von derzeit 6800
auf 12500 beschlossen. Das ist eine Reaktion, die Anerkennung
verdient. Dagegen sind Forderungen, eine regelrechte
Interventionsstreitmacht in den Südsudan zu schicken, unüberlegt.
Anders als in Mali, wo es 4000 französischen Soldaten Anfang 2013
gelang, einen klar definierten Feind auszuschalten, wüsste eine in
den Südsudan entsandte Kampftruppe gar nicht, wer ihr Feind ist und
was ihr strategisches Ziel sein könnte. In einer Situation wie dieser
können Friedenstruppen höchstens Zonen schaffen, in denen Flüchtlinge
Schutz finden. Genau das versucht der Staatenbund zu erreichen.
Doch die internationale Gemeinschaft kann noch mehr tun: einen
fähigen Vermittler entsenden. Derzeit suchen die Staatschefs der
Nachbarländer des Sudan Gespräche zwischen Kiir und Machar in Gang
zu bringen. Doch Machar lehnt die Kollegen Kiirs ab. Es gibt jedoch
jemanden, der in einem ähnlichen Konflikt erfolgreich vermittelt hat
- als ein Machtkampf den Vielvölkerstaat Kenia vor acht Jahren in
einen Bürgerkrieg zu stürzen drohte: Kofi Annan. Wenn jemandem eine
Wiederholung des kenianischen Geniestreichs gelingen könnte, dann dem
ehemaligen UN-Generalsekretär.
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