(ots) - Es gibt ein Schlagwort, das jede noch so dünne Story
rechtfertigt: "Das ist doch ein Debattenthema". Je dünner die
Nachricht, so scheint es, desto erregter zuweilen die Debatte.
Zumindest ist das bei den Sexismus-Vorwürfen gegen Rainer Brüderle
der Fall. Damit kein Missverständnis aufkommt: An dieser Stelle soll
nicht die Ausnutzung eines Machtverhältnisses im Umgang mit dem
anderen Geschlecht gerechtfertigt werden. Das ist ein immerwährendes
Thema - in unserer Gesellschaft zum Glück mit abnehmender Brisanz.
Von einem ausgeprägten Machtgefälle aber kann beim Verhältnis von
Politikern und Journalisten nicht die Rede sein. Dass die
Journalisten im Zweifel die schärferen Waffen besitzen, hat die
"Stern"-Reporterin ja gerade bewiesen. Und von welcher Doppelmoral
die Debatte durchzogen ist, mag man sich an dem einen oder anderen
Titelbild des Magazins vor Augen führen, das gern mit sekundären
weiblichen Geschlechtsmerkmalen Auflage macht. Sexismus - soweit die
Erkenntnis - ist weder in der Politik noch in den Redaktionsstuben
ausgerottet. Für die Frage aber, ob Rainer Brüderle die FDP aus ihrer
Krise herausführen kann, ist die Veröffentlichung der Bar-Begegnung
nicht relevant. Für die Frage, ob er die Chance dazu bekommt,
allerdings schon. Bleibt die Ungewissheit, ob im Verhältnis von
Politikern und Journalisten jetzt die letzten
Vertraulichskeitssphären fallen. Die Skandalisierungsmechanismen
eines Online-Journalismus, der alle paar Minuten neue Nachrichten
braucht, haben schon dazu geführt, dass Politiker vor der Kamera
keinen klaren Satz mehr sprechen. Wenn sich die Art von
Erlebnis-Journalismus durchsetzt, wie ihn der "Stern" hat durchgehen
lassen, werden sie dies auch nicht mehr tun, wenn die Mikrofone aus
sind.
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