(ots) - Die Geschichte der schwarz-grünen Koalition, die
jetzt angeblich bevorstehen soll, weil eine grüne Spitzenkandidatin
überraschenderweise Christin ist, begann schon mit einem Irrtum. Jene
Pizza-Connection, die Kohl wie Scharping gleichermaßen damals in den
Neunzigern seltsam fanden, hielt sich gar nicht erst auf mit
tomatenbelegten neapolitanischen Billig-Fladen. Am Karthäuserplatz in
Bonn-Kessenich, wo sich bei Giorgio und Francesco Tartelli aus dem
Valtellina-Tal im Restaurant Sassella junge Christdemokraten mit
jungen Grünen trafen, gab es gar keine Pizza. Dazu war (und ist) der
Laden viel zu ambitioniert. Dort trafen sich die bürgerlichen Freunde
des guten Geschmacks und der gefüllten Geldbörse, die heute
Parteichef sind (Cem Özdemir), oder Generalsekretär (Hermann Gröhe)
oder schon gescheitert (Norbert Röttgen). Die aktuell richtig
Wichtigen (Angela Merkel, Jürgen Trittin) waren schon damals nicht
dabei. Der Irrtum an Schwarz-Grün besteht in der Annahme, diese
beiden Parteien bewegten sich ideologisch aufeinander zu. Das ist
falsch. Die Union hat sich ja nicht aus tiefem Wunsch von der
Kernkraft abgewendet, sondern aus Machtkalkül. Der schwarze
Mittelstand setzt die Freiheit vor den Staat, der grüne Mittelstand
hält es umgekehrt. Das grüne Lebensgefühl ist postindustriell, das
schwarze nicht. Auf den Titel Arbeiterführer ist bei den Grünen
niemand scharf. Die Geschichte der nordrhein-westfälischen CDU ist
die einer Arbeiterpartei, der erste gewählte Ministerpräsident war
ein christlicher Parteisozialer. Der Irrtum an Schwarz-Grün besteht
indes nicht darin, diese beiden Parteien könnten nicht miteinander
regieren. Tiefe ideologische Differenzen haben weder Schwarze und
Rote, noch Christ- oder Sozialdemokraten und Liberale daran
gehindert, das Land gemeinsam zu führen, wenn es ihnen notwendig oder
reizvoll erschien. Mittlerweile sind die Führungen aller älterer
Parteien, zu denen nach 35 Jahren auch die Grünen zählen,
Pragmatiker, die alles mögliche möglich machen, wenn es denn
erwünscht ist. Man muss das nicht schlecht finden. Es ist auch sehr
demokratisch und deshalb beruhigend. Die Zeit ideologischer
Schlachten ist eben vorbei. Einstweilen.
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