(ots) - Unter den drei möglichen Kanzlerkandidaten der SPD
ist Peer Steinbrück nicht die erste, sondern die dritte Wahl. Sigmar
Gabriel wäre der eigenen Partei viel lieber gewesen und hätte die
Genossen im Wahlkampf besser mobilisiert, aber er ist außerhalb der
sozialdemokratischen Hinterzimmer nur schwer vermittelbar.
Frank-Walter Steinmeier gilt vielen Menschen in Deutschland als der
bessere Kanzler, doch einen zweiten schwierigen Wahlkampf, eine
mögliche zweite Niederlage gegen Angela Merkel hätte er politisch
kaum überstanden. Er zögerte, wägte ab. Erst Steinmeiers Verzicht
machte Steinbrücks Kandidatur möglich. Dass die Entscheidung so
schnell fiel, hat damit zu tun, dass der Plan der Troika, alles bis
zum Januar zu verschieben, nicht durchhaltbar war. In dem Maße, wie
Merkels Popularität wuchs, drängte sich immer mehr die Frage auf, wer
die sozialdemokratische Alternative zu ihr ist. Zuletzt wirkte das
Versteckspiel der Troika gar wie Angst, sich offen in die
Auseinandersetzung mit der Kanzlerin zu begeben. Die Troika der
SPD-Männer drohte als aufgescheuchter Hühnerhaufen zu enden. Die
Entscheidung für Steinbrück ist ein doppeltes Signal. Erstens
bedeutet sie, dass auch die SPD mit einem Wahlkampf um das Thema
Eurokrise und Banken rechnet. Diesem Wahlkampf will sie sich mit
Steinbrück personell und inhaltlich offensiv stellen. Auf diesem Feld
hat der Ex-Finanzminister von allen drei möglichen Bewerbern seit der
Wirtschaftskrise 2008 schlichtweg den besten Ruf. Ob der immer
berechtigt ist, sei dahingestellt. Aber auch bei Merkel ist nicht
immer alles Gold, was glänzt. Steinbrück wird die Kanzlerin auf ihrer
scheinbar unverwundbarsten Seite angreifen, ihrer Euro-Kompetenz. Auf
der anderen Seite aber ist die Entscheidung auch ein Ausdruck
sozialdemokratischer Resignation: Die SPD glaubt in Wahrheit nicht
mehr an einen rot-grünen Wahlsieg 2013. Es herrscht einfach keine
Wechselstimmung im Land. Eine Große Koalition ist aus heutiger Sicht
das wahrscheinlichste Wahlergebnis. Zugleich ist ein Wahlkampf unter
solchen Vorzeichen besonders schwierig, vor allem für eine
Oppositionspartei. Niemand lässt sich dafür mobilisieren. Steinbrück
ist in dieser Situation der richtige Mann, denn er hat als Einziger
der Drei eindeutig und überzeugend erklärt, nicht erneut Merkel als
Minister dienen zu wollen. Steinbrück kann einigermaßen glaubhaft
einen Wahlkampf gegen die Große Koalition bestreiten. Und die SPD
kann dennoch handlungsfähig bleiben, falls die Große Koalition von
den Wählern herbeigestimmt wird. Dann tritt Steinbrück - er ist 65
Jahre alt - einfach ins Glied zurück und Steinmeier und Gabriel
könnten weitermachen. Der eine als Vizekanzler und Minister, der
andere als Parteivorsitzender. So gesehen ist Steinbrück nicht nur
dritte Wahl, sondern auch ein Verlegenheits-Kandidat in einem
Verlegenheits-Wahlkampf. Allerdings: Angela Merkel und die CDU
sollten Steinbrück dennoch nicht unterschätzen. Die politischen
Verhältnisse in Berlin sind so knapp und beweglich, dass auch eine
Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP herauskommen könnte. Das ist
nicht wahrscheinlich, aber denkbar. Diese Chance würde Peer
Steinbrück zweifellos zu nutzen wissen - als Kanzler.
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