(ots) - Vorverurteilungen, Hassparolen, gar Aufrufe zur
Lynchjustiz - die Vorfälle im Zusammenhang mit dem Mord an der
elfjährigen Lena in Emden grenzen an Barbarei. Im Schutz der
Anonymität spielen Anstand und Moral für viele Menschen offenbar
keine Rolle mehr. Nachdem die (unter Erfolgsdruck stehende) Polizei
einen 17-Jährigen als Verdächtigen präsentiert hatte, stürzte sich
die virtuelle Öffentlichkeit auf den vorgeblichen Täter. Mit ganz
realen Folgen: Aufgebrachte Bürger belagerten stundenlang das
Polizeigebäude in Emden und forderten die Herausgabe des "Mörders".
Im Internet prallen zwei Rechtsgüter aufeinander: die freie
Meinungsäußerung auf der einen und der Schutz der Persönlichkeit vor
Eingriffen in den individuellen Lebens- und Freiheitsbereich auf der
anderen Seite. Viele fordern das erste und vergessen das zweite. Es
mangelt an moralischen Instanzen. Das Internet entwickelt sich mehr
und mehr zu einem rechtsfreien Raum. Die Politik steht machtlos da;
sie kennt auf viele offene Fragen keine Antworten und wird vom Tempo
der Entwicklungen überrollt, zumal im "www" auch international
unterschiedliche Rechtsauffassungen aufeinandertreffen. Die Polizei
ist schon allein angesichts der Masse der Meinungsäußerungen im Netz
überfordert. Es wäre auch die Aufgabe der etablierten Medien, Ordnung
in dieses Meinungs-Chaos zu bringen und zur Mäßigung aufzufordern. Im
Fall Lena sind einige Organe leider an dieser Herausforderung
gescheitert. Sie ließen sich treiben - vom Internet.
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