PresseKat - juravendis Rechtsanwälte: Roter Ginseng + EuGH = Neue Vermarktungsmöglichkeiten für Arzneimittel

juravendis Rechtsanwälte: Roter Ginseng + EuGH = Neue Vermarktungsmöglichkeiten für Arzneimittel

ID: 60257

In der traditionellen chinesischen Medizin ist roter Ginseng als Heilmittel schon seit ca. 5.000 Jahren bekannt. Dass roter Ginseng auch in der Lage sein kann, die vielen Verbote zur Arzneimittelwerbung zu lockern, weiß man jedoch erst seit einem richtungsweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

(firmenpresse) - In einem Verfahren zu rotem Ginseng hat der EuGH entschieden, dass mit der Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG in Europa eine vollständige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt ist. Sofern die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich die Befugnis einräumt, von der Richtlinie abweichende Bestimmungen zu erlassen, setzt die Richtlinie einen verbindlichen Rahmen für die Arzneimittelwerbung, der durch die Mitgliedstaaten nicht überschritten werden darf. Das deutsche Recht in Form des Heilmittelwerbegesetzes überschreitet derzeit diesen europäischen Rahmen. Die deutschen Regelungen müssen daher im Sinne der Arzneimittelrichtlinie ausgelegt und angepasst werden. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für die Vermarktung von Arzneimitteln. Dies zeigt bereits eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg zu einem Fernsehwerbespot für eine Lippenherpescreme.

In dem Spot wird eine Frau in Nahaufnahme zunächst mit und dann ohne Lippenherpes dargestellt. Sie hält sich ein Polaroid-Foto vor den Mund, auf dem ihr Mund mit Lippenherpes zu sehen ist. Sie zieht dann das Foto von ihrem Mund weg, der Mund ist herpesfrei, auf dem Foto in ihrer Hand sieht man den Mund noch mit Lippenherpescreme.

Das Oberlandesgericht hatte sich unter anderem mit der Frage zu befassen, ob eine derartige Darstellung gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 a des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) verstößt. Gemäß dieser Vorschrift darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel mit der bildlichen Darstellung von Veränderungen des menschlichen Körpers oder seiner Teile durch Krankheiten, Leiden oder Körperschäden nicht geworben werden. Nach Auffassung des Gerichts wäre bei wortgetreuer Anwendung dieser Vorschrift ein Verstoß zu bejahen. Denn offensichtlich handele es sich bei der Darstellung der Frau mit Lippenherpes um die bildliche Darstellung einer Erkrankung im Sinne der Vorschrift. Des Weiteren würde durch den TV-Spot auch ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 b HWG vorliegen. Danach darf außerhalb der Fachkreise mit sogenannten Vorher-Nachher-Darstellungen nicht geworben werden. Bei wortlautgemäßer Anwendung der Vorschrift würde ein Verstoß vorliegen, da während des TV-Spots an dem Mund der Frau die Lippenherpesbläschen verschwinden.





Das OLG Hamburg kommt jedoch wegen der Ginseng-Entscheidung des EuGH zu einer einschränkenden Auslegung der beiden Vorschriften. Diese beruhen auf Art. 90 k der Arzneimittelrichtlinie. Danach darf die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel keine Elemente enthalten, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise bildliche Darstellungen der Veränderung des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen verwenden. Nach der Arzneimittelrichtlinie sind somit Darstellungen von Krankheiten beziehungsweise Vorher-Nachher-Darstellungen nicht per se unzulässig. Die Darstellungen müssen vielmehr missbräuchlich, abstoßend oder irreführend sein, um ein Werbeverbot zu rechtfertigen. Eine missbräuchliche, abstoßende oder irreführende Darstellung kann das Gericht in dem TV-Spot nicht erkennen. Von einer Dramatisierung oder Übertreibung der bildlichen Darstellung könne keinesfalls die Rede sein. Auch in dem Wegziehen des Polaroid-Fotos unter Darstellung einer Stoppuhr würde keine Beseitigung der sichtbaren Symptome des Lippenherpes innerhalb kürzester Zeit, gleichsam innerhalb von Sekunden suggeriert. Der Durchschnittsverbraucher sehe in diesen Darstellungen bloße Stilmittel, um die Werbung zu unterstreichen. Ihnen komme aber sonst kein konkreter Aussageinhalt zu. Im Ergebnis hat das OLG Hamburg die Werbung damit für zulässig erachtet.

Fazit und Ausblick

Der EuGH und nun auch das OLG Hamburg zeigen dem deutschen Gesetzgeber deutlich die Grenzen auf. Sofern das Heilmittelwerbegesetz über die Arzneimittelrichtlinie hinausgeht, muss es bereits jetzt, auch ohne Gesetzesänderung, richtlinienkonform ausgelegt werden. Dies betrifft nicht nur die Darstellungen von Krankheiten und Vorher-Nacher-Bildern. Das Gesetz enthält auch an anderen Stellen Vorschriften, die über die Arzneimittelrichtlinie hinausgehen. Betroffen sind beispielsweise die Verbote zur Verwendung von Bildern von Personen in Berufskleidung, zur Testimonialwerbung sowie die Einschränkungen bei Preisausschreiben und Werbegeschenken. Darüberhinaus wird man sich fragen können, ob nach der Arzneimittelrichtlinie nicht auch die Werbung für den sog. Off-Label-Use entgegen den deutschen Vorschriften zulässig sein muss. Entsprechendes gilt für die Werbung mit Hinweisen auf klinische Studien und Gutachten. Dies wird letztlich vom Einzelfall abhängen. Eins ist jedoch sicher, die Überregulierung der Arzneimittelwerbung gehört der Vergangenheit an.

- EuGH, Urteil vom 8.11.2007 – Rechtssache C-374/05 -
- OLG Hamburg, Urteil vom 10.4.2008, 3 U 182/07 -

Autor: RA Dr. Florian Meyer

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Datum: 01.10.2008 - 11:14 Uhr
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