(ots) - Die Frage nach dem oder den Schuldigen wird wohl
nie ganz exakt beantwortet werden können. Und auch wenn der Wunsch
nach einem einzigen Sündenbock eineinhalb Jahre nach der
Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten noch
immer stark sein mag und viele sich die Abwahl aus verständlichen
Gründen herbeisehnen: Adolf Sauerland ist nicht der alleinige
Schuldige - aber er trägt eine große Mitschuld daran, dass zumeist
junge Menschen sterben mussten. Somit wird es höchste Zeit, dass
Sauerland geht und zumindest der politische Neuanfang in der
Ruhrgebietsstadt beginnen kann. Duisburg vor der Wahl: Zum ersten Mal
in der Geschichte Nordrhein-Westfalens könnte ein Oberbürgermeister
direkt vom Volk abgewählt werden. Die Duisburger entscheiden über
seinen Verbleib im Amt, aber auch darüber, wie Adolf Sauerland sich
nach der Katastrophe verhalten hat. Dabei geht es gar nicht um die
Frage, ob der Oberbürgermeister im Rechtssinn schuldig ist oder
nicht, sondern vielmehr um die moralische Verantwortung eines
Verantwortlichen. Sauerland klebt nach wie vor an seinem Sessel. Die
offizielle Begründung lautet: Die Stadt Duisburg sei nicht für die
Katastrophe verantwortlich und er schon gar nicht. Die rechtliche
Bewertung in dem laufenden Verfahren gegen elf Mitarbeiter der
Stadtverwaltung (darunter nicht Sauerland), fünf des
Loveparade-Veranstalters (darunter nicht Rainer Schaller) sowie einen
Polizeibeamten müssen am Ende die Richter vornehmen, nicht die
Bürger. Aber die Duisburger werden sehr genau einschätzen können, wie
unwürdig die Verantwortlichen mit der Tragödie umgegangen sind. Die
Palette des Fehlverhaltens reicht von unerträglichen gegenseitigen
Schuldzuweisungen bis hin zu fehlenden oder zu spät erfolgten Worten
des Bedauerns und des Trostspendens. Sauerland handelte nach dem
Prinzip »Augen zu und durch« - und genau das ist es, was er sich bis
heute vorwerfen lassen muss. Er wollte zur Tagesordnung übergehen -
anscheinend ohne echte Rücksicht auf die Gefühle der Hinterbliebenen,
der Opfer und deren Angehörigen. Sein Amt war ihm offenbar wichtiger,
als seiner Verantwortung als Stadtoberhaupt nachzukommen und Platz zu
machen für einen neuen unbelasteten Oberbürgermeister. Die Duisburger
werden am Sonntag in einem fairen, demokratischen und
rechtsstaatlichen Verfahren entscheiden, ob sie den Neuanfang wollen
oder nicht. Auch wenn dieser Fall nicht mit anderen zu vergleichen
ist, so wirft er doch die Frage auf, wie einige unserer
Volksvertreter es mit der politischen Moral und Verantwortung halten.
Zu Sauerland hat sich unser Bundespräsident Christian Wulff bereits
vor Monaten mit folgenden Worten geäußert: »Unabhängig von konkreter
persönlicher Schuld gibt es auch eine politische Verantwortung.« Da
kann man sich nur noch wundern.
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