(ots) - Wieder eine Erklärung, wieder eine Entschuldigung,
wieder so ein Wulff-Erlebnis. Schal, halbherzig, wenig
staatsmännisch. Und wieder so eine typische Wulff-Stillosigkeit.
Warum stellt sich der Bundespräsident nicht der
Bundespressekonferenz, sondern gewährt dem öffentlich-rechtlichen
Fernsehen eine exklusive Audienz? Nein, diese persönliche Erklärung
im TV-Interview war kein Befreiungsschlag, sondern die Verlängerung
einer Qual.
Es bleiben Zweifel an der Aufrichtigkeit des ersten Mannes im
Staat. Schlimmer noch, es stellt sich die Frage, ob Christian Wulff
überhaupt genügend Format für das Amt des Bundespräsidenten hat. Sein
Umgang mit der Wahrheit, seinen Finanzen und der Pressefreiheit haben
Herrn Wulff für das höchste Amt in der deutschen Demokratie
disqualifiziert. Es ist geradezu grotesk, dass sich der
Bundespräsident beim Chef der größten Boulevardzeitung des Landes für
eine törichte Beschimpfung auf dessen Anrufbeantworter entschuldigen
muss. Kann ein Politiker tiefer sinken, als dem Springer-Verlag erst
großmäulig zu drohen und dann bei "Bild" ganz kleine Brötchen backen
zu müssen?
Fremdschämen ist im Zusammenhang mit einem Verfassungsorgan neu,
aber Christian Wulff hat es geschafft, sein Ansehen und damit auch
sein Amt derart zu ramponieren, dass er bei Bürgern, Parteien und
Medien statt Anerkennung nur Hohn und Spott erntet. Über sich selbst
hat er einmal gesagt "Kanzler könne er nicht". Nun wissen wir:
Bundespräsident leider auch nicht. Vor seiner Wahl verkörperte
Christian Wulff die Standardbeschreibung eines Personalausweises:
besondere Kennzeichen, keine.
Jetzt taucht hinter der Fassade des Biedermanns ein
Amigo-Politiker alten Stils auf, bei dem Günstlingswirtschaft und
Glamour offenbar höher im Kurs stehen als die Kaufmannsehre, auf die
sich wenigstens Horst Köhler berufen konnte. Im Schloss Bellevue muss
kein Heiliger residieren, aber ein Vertreter des Volkes mit hoher
moralischer Autorität, der als Vorbild dienen kann. Christian Wullf
kann diese wichtigste Funktion nicht mehr erfüllen.
Koalition und Opposition klammern sich noch verzweifelt an den
glücklosen Amtsinhaber, weil dessen Vorgänger erst vor Kurzem aus
nichtigem Anlass die Brocken hingeworfen und die Bürger enttäuscht
hat. Doch eine "Staatskrise" ist nicht zu befürchten, wenn die
Republik zum zweiten Mal den Rücktritt eines Bundespräsidenten
verkraften müsste. Es wäre im Gegenteil eine Chance, die viel
beschworene "Würde des Amtes" nicht vollends zum Popanz werden zu
lassen.
Christian Wulff kann noch mit Anstand gehen und den Weg frei
machen für eine notwendige Diskussion über Kriterien für Bewerber um
das höchste Amt im Staate und die Frage, ob nicht wir - das Volk -
selbst die Wahl haben sollten.
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