(ots) - Ist die Kanzlerin in der Realität angekommen? Hat
sie entdeckt, dass das »C« im Parteinamen nicht ganz umsonst ist? Hat
Angela Merkel den Klagen der Euro-Partner so gut zugehört, dass sie
das deutsche Lohndumping als Gleichgewichtsproblem begreift? Oder ist
ihre neueste Kehrtwende zum Mindestlohn doch nur Taktiererei? Viel
spricht für letzteres, besonders das zeitliche Zusammentreffen der
Lohn-Wende mit der Vorentscheidung, jetzt wohl doch den »Soli«
abzusenken. Kann man nämlich die Mindestlohn-Volte nur als Annäherung
an die SPD deuten, gibt Merkel mit dem Soli-Manöver auch der FDP eine
Chance auf ein gehaltenes Versprechen. Typisch Merkel: Weil man nicht
wissen kann, wohin sich der Wind bis 2013 dreht, verharrt einweilen
alles in Merkels Lieblingszustand: Unbestimmt und schwer zu fassen -
wie die »Lohnuntergrenze«, die nicht »Mindestlohn« heißen darf, weil
dieser nicht im Koalitionsvertrag steht. Wer sich vor wenigen
Jahren für den Mindestlohn vom grün-rot-schwarzen Einheitschor als
Traumtänzer hat verspotten lassen müssen, kann sich jetzt freuen,
Recht gehabt zu haben. Oder sich scheckig ärgern über so viel
Bigotterie. Beides aber bringt nur wenig. Besser wäre es, das nächste
Thema aufs Tapet zu heben, bei dem die Kompetenzfritzen der Republik
bedenklich das Haupt wiegen. Vergesellschaftung des Finanzsektors,
Abschaffung der privaten Krankenversicherung, Reform des
Streikrechts: Der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt.
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