(ots) - Norbert Lammert ist ein guter Bundestagspräsident.
Er versieht sein wichtiges Amt überparteilich, er kritisiert, wo es
etwas zu kritisieren gibt, und Lammerts Fähigkeit zur pointierten
Anmerkung hat einen gewissen Unterhaltungswert, den das Amt ansonsten
nicht mit sich bringt. Diesmal hat sich der Bundestagspräsident aber
vergaloppiert. Seine offenbar eigenmächtige Entscheidung, zwei der 15
Abweichler des Koalitionslagers am Donnerstag im Bundestag reden zu
lassen, war falsch. Bei dieser Bewertung geht es nicht darum, die
Grundrechte von Abgeordneten einschränken zu wollen. Sie sind ein
hohes Gut. Aber der Parlamentarismus funktioniert eben nicht, wenn
seine Regeln, seine über Jahrzehnte in der Praxis gewachsenen,
sinnvollen Gepflogenheiten einfach mal außer Kraft gesetzt werden.
Das hat Lammert jedoch getan - und um welchen Preis? Viele
Abgeordnete werden womöglich jetzt bei strittigen Fragen auf
Gleichbehandlung drängen. Im Ergebnis könnte dies irgendwann einmal
zu einem parlamentarischen Durcheinander führen, das keiner will. Die
Tür dafür ist jedenfalls einen Spaltbreit auf. Nein, die bisherige
Handhabung von Redezeiten im Bundestag, so ungerecht sie manchem
Betroffenen mitunter erscheint, ist richtig. Die Entscheidung des
Präsidenten hingegen ist umso unverständlicher, weil es andere
Möglichkeiten gegeben hätte, die Kritiker zu Wort kommen zu lassen.
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