(ots) - Eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame
Regierung. Das ist die Ursache der Euro-Krise, und diese Ursache
bleibt auch dann erhalten, wenn jetzt kurzfristig eine Rettung
gelingen sollte. Berlusconi, Papandreou, Sarkozy oder Zapatero können
letztlich in ihren Ländern beschließen, was sie wollen, und niemand
kann eingreifen. Übrigens ist deutschen Politikern die Idee von
Wahlgeschenken und die Wahrung von Besitzständen ebenfalls nicht ganz
fremd. Das gestrige Verfassungsgerichtsurteil beantwortet dieses
zentrale Problem des Euro genau nicht. Es hilft wenig zu fordern,
dass der Bundestag stärker beteiligt werden muss, wenn es ans Retten
von überschuldeten Staaten geht, die keine Rücksicht auf den Rest der
Währungsgemeinschaft genommen haben. Das ist sicher richtig. Aber
wenn die Überschuldung erst eingetreten ist, gibt es wegen der
Fragilität des gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraums gar keine
Alternative zu Stützungsaktionen mehr. Übrigens, ganz im Gegenteil
zur Meinung des Verfassungsgerichts, erst recht dann nicht, wenn
Staaten wie Italien und Spanien an der Reihe sind und die
Rettungsschirme übergroß werden. Auf der einen Seite der Binnenmarkt
mit gemeinsamen Regeln, das Schengen-Abkommen, die
Niederlassungsfreiheit, die gemeinsame Währung. All diese wunderbaren
neuen Möglichkeiten. Und gleichzeitig auf der anderen Seite die
ungebrochene, ja sogar zunehmende Souveränität der Nationalstaaten
und ihrer Parlamente. Die hat das Bundesverfassungsgericht übrigens
vor zwei Jahren mit seinem Urteil über den Lissabon-Vertrag schon
einmal gestärkt, vielleicht mit Blick auf seine eigene Rolle und
Zukunft. Jetzt also ein zweites Mal. Das ist der Versuch, beides zu
haben, sowohl die gemütliche Intimität der bisherigen Kleinstaaterei
als auch die geballte ökonomische Weltmacht des ganzen Kontinents.
Und das passt eben nicht zusammen. Das Urteil vom Mittwoch hält
übrigens aus einem weiteren Grund vor der Wirklichkeit nicht stand:
Die Europäische Zentralbank kauft derzeit massiv Schulden anderer
Euro-Staaten auf und macht sie so zu gemeinsamen Schulden aller ihrer
Anteilseigner, auch Deutschlands. Ganz ohne Parlamentsbeteiligung.
Europa braucht jetzt Politiker, die die Vision der Vereinigten
Staaten von Europa haben. Nicht als Kopie der USA, nicht als
gesichtslosen Superstaat. Europa bleibt ein Kontinent der Vielfalt
der Kulturen und Sprachen, der vielen Identitäten. Das macht ihn aus.
Aber in der Wirtschafts- und Finanzpolitik muss sich Europa weit mehr
als heute als Einheit verstehen, um in der Welt der Großen mithalten
zu können. Und zwar als eine Einheit, die auch wirklich funktioniert,
ohne die komplizierten Mechanismen europäischer Räte, die letztlich
nur die verkappte Fortsetzung der nationalen Eitelkeiten sind. Das
geht nur durch die Abgabe von Souveränitäten. Die gemeinsame
Wirtschaftsregierung ist dafür so eine Idee, ebenso der europäische
Finanzminister. Ganz sicher machbar ist auch eine gemeinsame Armee
für Außeneinsätze. Aber wer in Deutschland außer Ursula von der Leyen
will diese Vereinigten Staaten von Europa? Stattdessen überall nur
Misstrauen, Angst vor der Wahrheit, Populismus und Vorbehalte
nationaler Parlamente. Das kann, wenn man aus einer Kasse lebt, nicht
lange gut gehen.
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