(ots) - Eine Hungerkatastrophe unterscheidet sich von 
anderen Krisen, wie etwa denen in Haiti oder Japan, in ihrer 
Geschwindigkeit. Der Tod nähert sich langsam, Monate im Voraus 
sichtbar. Und er kommt immer wieder. Im Abstand von etwa drei Jahren 
wird Ostafrika derzeit von Dürren erschüttert und damit weit häufiger
als noch vor zwei Jahrzehnten. Das Ereignis ist also nicht neu, wohl 
aber das Ausmaß: Die Zahl von 780 000 lebensgefährlich 
unterer-nährten Kindern allein in Somalia ist so grausam, dass sie 
der Kopf nur als abstrakte Größe verarbeiten kann. Zehntausende 
sterben, und selbst die Bilder, die inzwischen endlich ihren Weg in 
die Medien gefunden haben, können nur eine ungefähre Vorstellung von 
der Realität vor Ort geben. Es gehört zur schrecklichen Natur dieser 
Katastrophe, dass sie mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts zu 
verhindern gewesen wäre. Dabei schieben viele die Verantwortung 
möglichst weit vom eigenen Einflussbereich fort. Natürlich ist der 
seit über 20 Jahren anhaltende Krieg in Somalia der Hauptgrund für 
das Ausmaß, der verweigerte Einlass von UN-Mitarbeitern und 
Hilfsorganisationen durch die Terrororganisation al-Schabab ein 
Verbrechen, das nur als Völkermord bezeichnet werden kann. Und ja, 
auch von afrikanischen Regierungen veruntreute Entwicklungsgelder, 
das sprunghafte Bevölkerungswachstum und der Klimawandel spielen eine
wichtige Rolle. Doch es handelt sich nun einmal um eine Vielzahl von 
Ursachen, sodass all dies nicht von jenen Gründen ablenken darf, an 
denen die Industrie- und Schwellenländer die größte Verantwortung 
haben. Animiert von staatlichen Zuschüssen hat die Produktion von 
Biokraftstoffen erheblich zur gesteigerten Nachfrage nach Getreide 
beigetragen. Die Preise stiegen vor allem deshalb allein im 
vergangenen Jahr zwischen 40 und 130 Prozent (je nach Region). Sogar 
auf den Philippinen, wo die Menschen gegen steigende 
Lebensmittelpreise protestieren, hat die Regierung gerade eine 
Gesetzgebung zur Subventionierung des umstrittenen Treibstoffs 
verabschiedet. Selbst die Vereinten Nationen, einst großer 
Befürworter von Biokraftstoffen, warnen inzwischen vor den 
Konsequenzen für die Agrarwirtschaft. Wohl zu spät: Die Weltbank 
schätzt, dass 33 Länder am Rande von sozialen Unruhen wegen "des 
akuten Anstiegs von Energie- und Lebensmittelpreisen" stehen. Die 
Prognose könnte sich erfüllen, denn in den kommenden zwei Jahren 
werden die Lebensmittelpreise nicht sinken, fürchten 
Wirtschaftswissenschaftler. Eilig werden neue Gesetze zum 
Exportverbot von Getreide verabschiedet, um eine Klimapolitik zu 
korrigieren, die den Überblick über ihre Auswirkungen verloren hat. 
Vor deren Folgen in der Dritten Welt wurde auch im Vorfeld gewarnt, 
doch die Zweifler blieben unerhört. Zudem haben Länder wie China, 
Saudi-Arabien und Indien in Äthiopien und Kenia, den beiden neben 
Somalia am meisten betroffenen Ländern, im großen Stil Farmland 
geleast - wo sie überwiegend für den eigenen Bedarf anbauen. Der 
Druck muss steigen, damit derartige Entwicklungen nicht humanitäre 
Katastrophen bedingen können. Entscheidend werden die Monate, nach 
denen die Kameras aus den Flüchtlingslagern von Dadaab abgezogen 
sind, und mit ihnen der mediale Druck auf die Industrienationen für 
zusätzliche Zahlungen schwindet. Gerade dann müssen international die
notwendigen Reformen folgen. Und vor Ort muss der Agrarsektor der 
betroffenen Länder im großen Stil modernisiert werden, um Kleinbauern
auf Trockenperioden vorzubereiten. Dafür bedarf es einer weltweiten 
Kultur der Aufmerksamkeit jedes einzelnen für Ostafrika. Den Willen 
hinzuschauen, auch wenn es wehtut. Sonst ist die nächste, vielleicht 
noch größere Hungersnot, bereits in Sicht. Man muss nur hinschauen.
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