PresseKat - Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 30. Juni 2011

Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 30. Juni 2011 die jüngsten Anschläge in Afghanistan:

ID: 432926

(ots) - Die Abzugslüge

von Joerg Helge Wagner

Natürlich ist es schändlich, skrupellos und verbrecherisch, was
die Taliban mit ihrem Ãœberfall auf das Hotel Intercontinental in
Kabul begangen haben - vor allem aber war es erfolgreich. Denn die
islamistischen Terroristen denken in anderen Kategorien als jene, die
sich seit zehn Jahren abmühen, Afghanistan zu befrieden: In ihrer
perversen Logik ist es völlig unerheblich, dass am Ende alle eigenen
Kämpfer getötet worden sind - für sie zählt allein, dass die Aktion
überhaupt durchgeführt werden konnte, dass die Regierung Karsai
wieder einmal vorgeführt wurde. Das ist zutiefst menschenverachtend.
"Sinnlos", wie die deutsche Kanzlerin und ihr Außenminister unisono
in ihren genormten Worthülsen behaupten, ist es jedoch nicht. Für die
Taliban ist es auch kein Widerspruch, über Mittelsmänner - zumeist
gewendete ehemalige Mitstreiter - die Fühler für Verhandlungen
auszustrecken und gleichzeitig weiterzumorden. Sie haben Strategie
und Taktik der Alliierten quasi gespiegelt: Ziel ist es, aus einer
Position der Stärke heraus zu verhandeln. Das will man nicht mehr mit
wahllosem Terror erreichen, deshalb hat man sich auch prompt von dem
Anschlag auf das Krankenhaus in Logar am Sonnabend distanziert. Der
ging wahrscheinlich auf das Konto versprengter Al-Kaida-Zellen. Die
Taliban hingegen machen längst gezielt Jagd auf einzelne:
Polizeichefs, Provinzgouverneure, hochrangige ISAF-Militärs - eine
Kopie der gezielten Tötungen von Taliban-Kommandeuren durch Kommandos
der Alliierten und der afghanischen Nationalarmee. Getötete
Zivilisten sind hier wie dort "Kollateralschäden": nicht
beabsichtigt, aber billigend in Kauf genommen. Wie kommt man aus
diesem Wahnsinn wieder heraus? Bestimmt nicht, indem man sich mit
einem Abzugsszenario bis 2014 in die eigene Tasche lügt und auch noch




unter Zeitdruck setzt. Die negativen Folgen der überambitionierten
Pläne sind nämlich längst zu besichtigen; wahrscheinlich zählt auch
der Anschlag auf das Intercontinental dazu. Denn im Bestreben, die
afghanische Armee und die afghanische Nationalpolizei möglichst rasch
auf eine möglichst hohe Personalstärke zu bringen, bleiben
Ausbildungs- und Rekrutierungsstandards auf der Strecke. Immer wieder
gelingt es den Aufständischen so, eigene "Schläfer" in die Reihen der
Polizisten und Soldaten zu schmuggeln. Diese Schludrigkeit macht dann
später die schärfsten Sicherheitsvorkehrungen stumpf. Der Zeitdruck
schadet auch allen Verhandlungen: Verfahren werden nicht sorgfältig
geklärt, Mandate nicht hinterfragt und geprüft, viele Interessen
nicht berücksichtigt. So ist keine nachhaltige Befriedung zu
erreichen. Kühle Köpfe wie Verteidigungsminister Thomas de Maizière
haben das erkannt und sprechen deshalb nur sehr vorsichtig von
Zeiträumen. 2012 könne man mit dem Abzug beginnen - wenn die Lage es
zulässt. Drei bis vier Jahre könne die Übergabe der kompletten
Sicherheitsverantwortung an die Afghanen dauern - aber Rückschläge,
auf die man reagieren muss, könne es geben. Das ist gerade in Serie
der Fall. Um die bisherigen Fortschritte - die es ja zweifellos auch
gibt - nicht gefährden, sollte man endlich das törichte Beschwören
der Zahl 2014 einstellen, in Berlin ebenso wie in Washington.
joerg-helge.wagner(at)weser-kurier.de



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Datum: 29.06.2011 - 21:00 Uhr
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