(ots) - Ziemlich zeitnah liefen gestern zwei Nachrichten
aus weit auseinanderliegenden Weltregionen über den Ticker. In Japan
bestätigte die Regierung, dass es in drei Reaktoren des havarierten
Kraftwerks Fukushima eine Kernschmelze gegeben habe - den größten
anzunehmenden Unfall mithin. Bis heute und vorerst unabsehbar ist er
nicht unter Kontrolle. In Berlin beschloss das Kabinett den
vollständigen Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie bis zum Jahr
2022. Solch radikale Konsequenz zieht bislang kein anderes Land der
Welt aus dem verheerenden Atom-Unglück im Fernen Osten. Die
regierende schwarz-gelbe Koalition unternimmt dabei das Kunststück
einer 180-Grad-Kehrtwende, hatte sie doch gerade erst den zuvor von
Rot-Grün vereinbarten Ausstieg wieder rückgängig gemacht. Nun aber
kennt die Kanzlerin keine Parteien mehr, nur noch Atomkraftgegner,
und nicht nur der Evangelische Kirchentag in Dresden spendet ihr
Absolution. Tatsächlich will die große Mehrheit der Bevölkerung weg
vom Strahlenrisiko. Ob sich der politische Salto für die
Energiewender auszahlt, werden die nächsten Wahlgänge erweisen. Wie
ihre Wette auf die wirtschaftliche Zukunft ausgeht, kann das ganze
Land im Selbstversuch erproben. In der Tat muss hier aus der
ökonomischen eine gesellschaftliche Kraftanstrengung erwachsen.
Umweltminister Röttgen stellt zwar zu Recht fest, dass ein
jahrzehntelanges Kampfthema nun in einen Konsens überführt worden
ist. Doch wie weit geht die Bereitschaft wirklich, daraus
resultierende Folgen wie Preiserhöhungen, Landschaftsveränderungen,
steigenden CO2-Ausstoß und anderes mehr auch bürgersinnig zu
ertragen? Da werden wohl selbst dem freiwillig zu Anti-Atom-Einsicht
gelangten Teil noch etliche Belastungsproben abverlangt. Mit dem nun
beschlossenen Ausstieg beginnt ein gewaltiges Experiment. Es als
positive Herausforderung zu begreifen, wird man auf dem steinigen Weg
noch öfter als Durchhalteparole zu hören bekommen - von welcher
Regierung auch immer. Im Rest der Welt werden derweil weiter
Atomkerne gespalten.
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