(ots) - Wie wichtig ist Europa? - Der Streit um die
Sicherungsverwahrung
von Anette Asmussen
Wie wichtig ist Europa für Deutschland? Diese Frage muss das
Verfassungsgericht jetzt beantworten. Auf der Tagesordnung: das
Thema Sicherungsverwahrung. Zwei Mal schon stellte der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass die Praxis der
nachträglichen und der verlängerten Sicherungsverwahrung hierzulande
gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.
Sicherungsverwahrung, sagen Europas Richter, ist nur rechtmäßig,
wenn der Verbrecher zum Zeitpunkt seiner Verurteilung weiß, was
auf ihn zukommt.
Sicherungsverwahrung ist auch dann noch völlig in Ordnung, wenn
sich nach dem Urteil herausstellt, dass höchste Gefahren von dem
Verurteilten ausgehen, meint demgegenüber das
Bundesverfassungsgericht. Der Betroffene solle ja nicht bestraft
werden. Vielmehr diene die Unterbringung seiner Resozialisierung,
begründen die Juristen seit 2004 ihre Auffassung - lassen dabei
allerdings außer Acht, dass es Unterschiede zwischen Haft und
Unterbringung für die Gefangenen faktisch nicht gibt. Bis heute
bekommen sie weder ausreichende Therapie-, noch Arbeitsangebote. Von
Resozialisierung keine Spur - die Täter werden zum Schutz der
Allgemeinheit weggesperrt.
Nun stecken die Hüter der Verfassung in einem Dilemma. Wie
sollen sie den Knoten lösen, den die Sicherheitsinteressen ihres
Volkes auf der einen und die europäischen Freiheitsrechte der
Täter auf der anderen Seite bilden? Sie wissen: Beachten sie die
europäischen Vorgaben nicht, wird Deutschland Schadensersatz an die
Gemeinschaft zahlen müssen. Dennoch steht das Grundgesetz noch über
der Entscheidung des EGMR. Ein nationaler Alleingang beim Thema
Sicherungsverwahrung wäre damit möglich. Die
Verfassungsgerichts-Entscheidung ist weniger rechtlich als vielmehr
politisch interessant. Wohin geht die Reise: zurück ins eigene Land
oder stehen wir zu Europa?
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