(ots) - Der Islam in Deutschland bleibt von seinem
intellektuellen Anspruch und Potenzial her "weit unter seinen
Möglichkeiten, sich zeitgemäß zu begreifen". Das sagte Aiman Mazyek,
Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD), den
Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Montagausgaben) und dem Online-Portal
"derwesten".
Als Grund nennt der Vorsitzende des Zentralrats, der 300
Moscheegemeinden und 19 islamische Verbände vertritt, eine fehlende
islamische Infrastruktur. "Wir haben anders als die großen Kirchen
keine Akademien und kaum Bildungseinrichtungen, die Raum geben
können, um kontroverse Debatten zu führen. Wir haben durchaus
Nachholbedarf, etwa bei der Abgrenzung unserer Religion von
Ideologien."
Auf die öffentliche Kritik des Ratsvorsitzenden der Evangelischen
Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, wonach der Islam in
Deutschland "von Aufklärung und Religionskritik kaum irritiert" sei,
entgegnete Mazyek: "Die Muslime können und müssen sich immer wieder
aus sich selbst heraus erneuern. Unsere Religion bietet dafür
ausreichende Grundlagen."
Allerdings machten viele "Stellvertreter-Debatten und
Schwarzer-Peter-Spiele" den Muslimen Angst. Viele zögen sich ins
Schneckenhaus zurück. "Gebildete gehen ins Ausland. Oder in ihre alte
Heimat."
Anstatt das Potenzial von 99 Prozent friedlichen Muslimen zu
nutzen, würden Muslime in Deutschland einem "Generalverdacht"
ausgesetzt. Wörtlich sagte Mazyek: "Wir haben unsere Imame im
Dezember aufgerufen, in den Freitagspredigten einen Kernsatz zu
benutzen: "Die Verteidigung unserer freiheitlichen Grundordnung ist
eine Bürger- und Islampflicht." Die Reaktion in den Moscheegemeinden
war hervorragend. In der Öffentlichkeit wurde davon kaum Notiz
genommen."
Mazyek beklagt fehlende Unterstützung der Muslime, auch wenn sie
angegriffen würden. "Ich hätte zum Beispiel von der Bundeskanzlerin
erwartet, dass sie sich nach den gehäuften Attacken auf Moscheen
deutlicher vor uns stellt. Es ist egal, ob ein muslimisches,
jüdisches oder christliches Gotteshaus angegriffen wird. Wir alle
sind damit angegriffen."
Für den zehnten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September
2001 New York und Washington befürwortet der Zentralrats-Vorsitzende
die Idee eines "großen interreligiösen Gebetes".
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