(ots) - Als Deutschland vor nunmehr fast zehn Jahren
erstmals ein Schulzeugnis im internationalen Bildungsvergleich "Pisa"
ausgestellt bekam, da saß der Schock tief. Seither ist Pisa die
Chiffre für die Bildungsmisere dieser Republik. Wie die neueste
Untersuchung zeigt, hat der Schock von damals offenbar heilsame
Kräfte entfaltet. Nicht, dass Deutschlands Schüler plötzlich
Klassenbeste wären. Aber es geht voran, wenngleich auch nur im
Schneckentempo.
Beim Lesen internationaler Durchschnitt, in Mathe und
Naturwissenschaften leicht darüber. So lautet kurz gefasst das
aktuelle Ergebnis. Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer? Auch die
ärgsten Skeptiker werden einräumen müssen, dass sich seit der
Jahrtausendwende bildungspolitisch eine Menge getan hat. Bundesweite
Bildungsstandards wurden eingeführt. Der Ausbau von Ganztagsschulen
ist mittlerweile parteiübergreifend Konsens. Und dass Kitas nicht nur
ein bloßer Aufbewahrungsort für den Nachwuchs sind, sondern
entscheidend für die frühkindliche Bildung, hat sich auch in den
alten Bundesländern herumgesprochen.
Der positive Trend ist allerdings kein Grund, sich zufrieden
zurückzulehnen. Trotz unbestreitbarer Lichtblicke hängt das
individuelle Bildungsniveau der Kinder in Deutschland nach wie vor
viel zu stark vom Geldbeutel der Eltern ab. Noch immer klagen Mütter
und Väter über zu große Klassen gerade in den ersten Schuljahren.
Noch immer fehlt es in Schulen an geeigneter Ausstattung, vom maroden
Zustand vieler Gebäude ganz zu schweigen. Auch liegt nach einer
spürbaren Aufstockung der Bildungsetats nun die Gefahr nah, dass die
rückläufigen Schülerzahlen in vielen Bundesländern zum Freibrief für
den bildungspolitischen Rotstift werden könnten. Spätestens hier
kommt der Bildungsföderalismus ins Spiel. Er ist nicht die Lösung,
sondern Teil des Problems. Nur ein Beispiel: Als Konsequenz aus dem
Pisa-Befund zur mangelnden Lesekompetenz plant die Bundesregierung
ein Förderprogramm, um Kinder noch vor der Einschulung mit Büchern
vertraut zu machen. In den Bundesländern gibt es aber schon mehr als
ein Dutzend Leseförderprogramme, von denen keiner genau weiß, wie
effektiv sie allesamt sind. Das ist absurd.
Auf eine Revolution im Bildungsbereich werden Kritiker dennoch
vergeblich hoffen. Zu radikale Veränderungen sind nämlich auch den
Eltern suspekt. Das hat die kürzlich per Volksentscheid gekippte
Schulreform in Hamburg gezeigt. Der bildungspolitische Fortschritt
lebt genau von den oftmals beklagten kleinen Schritten. Man kann den
Pisa-Untersuchungen der letzten zehn Jahre sicher Unvollkommenheit
vorwerfen. Aber sie haben den Bildungspolitikern Druck gemacht. Der
ist auch weiterhin nötig.
Autor: Stefan Vetter
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