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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Katalonien

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(ots) - Warum schweigt Brüssel zu den Vorgängen in
Katalonien und verweist lediglich darauf, dass man sich in die
inneren Angelegenheiten eines Mitgliedsstaates nicht einmische? Das
fragt sich nicht nur die dortige Regionalregierung, die die
EU-Kommission um Vermittlung gebeten hat. Das fragen sich auch
Beobachter, die verfolgt haben, wie unerbittlich der zuständige
Kommissar Frans Timmermans sich sonst äußert, wenn gegen europäische
Grundrechte verstoßen wird - zum Beispiel gegen die Medienfreiheit
und die Unabhängigkeit der Justiz in Ungarn und Polen. Die
EU-Kommission muss sich vorwerfen lassen, mit zweierlei Maß zu
messen. Es steht der Verdacht im Raum, dass man osteuropäischen
Regierungen glaubt, Lektionen in Demokratie erteilen zu können,
während man Spanien für einen gefestigten Rechtsstaat hält. Aber so
einfach ist es nicht. Das oberste spanische Gericht, das nicht wie in
Polen von der Regierung in seiner Unabhängigkeit bedroht wird, hatte
das Referendum als verfassungswidrig eingestuft. Diese Entscheidung
wird in Brüssel respektiert. Wie aber sieht es mit den
Polizeimaßnahmen aus, bei denen mehr als 800 Menschen verletzt
wurden? Auch hierzu äußert sich Brüssel nicht, ruft lediglich beide
Seiten zur Mäßigung auf. Die spanische Regierung gilt als
pro-europäisch, Ministerpräsident Mariano Rajoy ist ein Parteifreund
von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. In diesen komplizierten
Zeiten, wo der Austrittsantrag Großbritanniens die gesamte EU auf
eine harte Probe stellt, will niemand eine Spaltung der verbleibenden
27 riskieren. Deshalb breitete man Schottlands Regierungschefin
Nicola Sturgeon einen kühlen Empfang, als sie nach dem
Brexit-Referendum in Brüssel die Lage sondierte. Ob ihr Land zügig in
die EU aufgenommen würde, sollte sich Schottland in einem weiteren
Referendum von Großbritannien abspalten, lautete Sturgeons ganz




konkrete Frage. Und die ebenso konkrete Antwort der EU-Kommission war
ein klares Nein. Denn es liegt gar nicht im Ermessen der Brüsseler
Behörde, über einen Aufnahmeantrag zu entscheiden. Das tun die
Staats- und Regierungschefs - und zwar einstimmig. Sobald
Großbritannien die EU verlassen hat, ist von dieser Seite kein Veto
mehr zu befürchten. Spanien aber, das hat die Regierung in Madrid
mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht, wird sich den
Aufnahmeanträgen ehemaliger Regionalregierungen stets und konsequent
verweigern. Egal, ob sich ein unabhängiges Flandern, eine Republik
Schottland oder die Bretagne um Aufnahme in die EU bewerben sollte -
Spanien wird mit seinem Nein ihre Hoffnungen zunichte machen.
Vermutlich würde Madrid auch den Antrag des Kosovo blockieren, das
sich 2008 von Serbien abspaltete und bis heute von Spanien nicht als
eigenständiges Land anerkannt wird. Madrid verspricht sich von dieser
harten Haltung eine abschreckende Wirkung auf die Katalanen und
Basken im eigenen Land. Die EU wird in dieser Frage niemals zu einer
einstimmigen Haltung finden. Das liegt an ihrer Struktur. Neben
Zentralstaaten wie Frankreich und Spanien gibt es Länder mit starker
regionaler Eigenständigkeit wie Deutschland und Ministaaten wie
Luxemburg und Malta, die kleiner sind als das Saarland oder die
belgische Wallonie. Jedes dieser derzeit noch 28 Mitglieder hat einen
Sitz und eine Stimme im Ministerrat. Würde sich zum Beispiel Belgien
aufspalten, käme alles durcheinander. Die Angst vor einem spanischen
Veto sorgt aber dafür, dass die belgische Zwangsehe weiter hält.



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Datum: 04.10.2017 - 17:30 Uhr
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