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Allg. Zeitung Mainz: Allgemeine Zeitung Mainz - Kommentar von Friedrich Roeingh zur deutschen Einheit

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(ots) - Heimweh nach früher hab ich keins/Nach alten
Kümmernissen/Deutschland Deutschland ist wieder eins/Nur ich bin noch
zerrissen." Wolf Biermann hat diese Zeilen in der Nachwendezeit
geschrieben. Dass Bundespräsident Steinmeier sie an den Anfang seiner
Mainzer Rede zur deutschen Einheit stellt, 27 Jahre nach Vollzug
dieser Einheit, sagt allerdings alles. Die Mauer, die nur ein Jahr
länger stand, sie hat sich zu einem Graben gewandelt. Nach der
Bundestagswahl vor zehn Tagen kann sich niemand mehr davor drücken,
diesen Graben wahrzunehmen. Einen Graben, der den bewegenden Bildern
von 1989 und 1990 trotzt, den spiegelblanken Autobahnen, den
restaurierten Innenstädten des nahen Ostens, den herausgeputzten
Zielen des Deutschland-Tourismus. Zum ersten Mal spricht ein
Bundespräsident aus, dass wir uns jahrelang etwas vorgemacht haben.
Dass zu einem Leben in Würde nicht nur soziale Absicherung und
auskömmliche Renten gehören. Der Siegeszug der Nationalisten hat bei
der Bundestagswahl schonungslos offengelegt, dass sich ein Großteil
der Ostdeutschen im liberalen, weltoffenen Deutschland nicht
beheimatet fühlt. Die Entwertung ihrer Lebensläufe und unser
Desinteresse an ihren Geschichten sind sicher Ursachen dafür. Zur
Suche nach dem Magnetismus des Autoritären gehört aber ebenso, dass
im Osten weder der Nationalsozialismus noch die stalinistische Seite
der DDR je richtig aufgearbeitet wurden. Ein großes Versäumnis der
politischen Bildung. Nicht von ungefähr gab es auch nie den Hauch
eines ostdeutschen '68. Zugleich macht der Bundespräsident in seiner
großen Rede deutlich, dass wir den Weckruf der Wahlergebnisse nicht
nur auf Ostdeutschland beziehen dürfen. Thüringer und Sachsen mögen
dem Trugschluss unterliegen, die Entvölkerung ganzer Landstriche für
ein ausschließlich ostdeutsches Phänomen zu halten. Im Hunsrück, im




Odenwald und im Bayerischen Wald verödenden die Dörfer ja genauso.
Wir sollten die Wahlergebnisse deshalb auch als Frühwarnsystem für
die Gräben begreifen, die sich längst auch im Westen zwischen
boomenden Ballungsräumen und vergessenen Gegenden auftun. Übrigens
eine globale Entwicklung, die ihren Sprengstoff bei der
Präsidentenwahl in den USA ebenso bewiesen hat wie beim Siegeszug des
orthodoxen Islam als Folge der rein urbanen arabischen Revolution.
Natürlich dürfen wir nicht nachlassen, für Demokratie und Freiheit
und für das europäische Friedensprojekt zu werben. Vielleicht müssen
wir sogar erst lernen, dem rechten Hass entschiedener zu trotzen. Das
wird aber kaum helfen, wenn wir uns nicht ernsthafter den Menschen
zuwenden, die in unserem Vorwärtsdrang so leicht verloren gehen.



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Datum: 03.10.2017 - 19:50 Uhr
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