(ots) - Natürlich geht auch etwas verloren, wenn wir
künftig unsere Stimme im Supermarkt abgeben können: Der traditionelle
Spaziergang am Sonntag zum Wahllokal in der nahe gelegenen
Grundschule ist stets etwas Besonderes - es ist das Gefühl, ganz
bewusst am demokratischen Prozess im eigenen Land teilzuhaben. Und in
der Tat ist unser Recht zur Wahl ein hohes Gut, um das uns viele
andere Menschen in totalitären Staaten beneiden.
Gleichwohl ist der einmütige Vorschlag der Parteien in
Deutschland, die Stimmenabgabe zu erleichtern, richtig. Es ist der
legitime Versuch, die zuletzt immer geringer gewordene
Wahlbeteiligung wieder nach oben zu drücken. Frei nach dem Motto:
Wenn der Bürger nicht zur Wahlurne geht, muss die Wahlurne eben zum
Bürger kommen. Es ist erschreckend, dass zuletzt in einigen
Landtagswahlen nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten ihr
Kreuzchen gemacht haben. Vielleicht sollte man bei dieser Gelegenheit
auch darüber nachdenken, ob nicht die Stimmabgabe via Internet eine
sinnvolle und zeitgemäße Option wäre.
Ob sich allerdings die Wahlbeteiligung dadurch steigern lässt, ist
offen. Schließlich besteht der Grund der grassierenden Wahlmüdigkeit
nicht darin, dass den Bürgern der Weg zum Wahllokal zu weit oder zu
umständlich wäre. Vielmehr fühlen sich immer mehr Wähler immer öfter
von der Politik nicht ernst genommen oder - schlimmer noch - sogar
verschaukelt. Das hat den Verdruss gefördert.
Auch diese Frage muss erlaubt sein: Haben die Parteien, wenn sie
monatelang über Themen wie BND/NSA und die Edathy-Affäre diskutieren
noch den richtigen Schwerpunkt gesetzt? Oder bewegt die Menschen im
Innersten etwas anderes? Etwa die drohende Altersarmut oder die
schlechte Bezahlung von Pflegekräften, die viele Bürger empört -
gerade wenn sie selbst befürchten müssen, einmal zum Pflegefall zu
werden. Auch darüber sollten unsere Politiker nachdenken.
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Westfalen-Blatt
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Andreas Kolesch
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