(ots) - Auf die deutsche Bundeskanzlerin wartet heute 
ein schwerer Besuch im Weiße Haus. Merkel lehnt Waffenlieferungen an 
die Ukraine ab und setzt auf weitere Verhandlungen. Den Amerikanern 
geht dafür die Geduld aus. Die Münchener Sicherheitskonferenz hat die
Uneinigkeit des Westens über das weitere Vorgehen im Ukraine-Konflikt
offen zu Tage treten lassen. Präsident Obama hat bisher größten Wert 
darauf gelegt, mit Europa an einem Strang zu ziehen. Deshalb bremste 
er in den USA Kräfte, die schon lange für einen robusteren Kurs 
gegenüber Moskau werben. In den USA erntete er dafür die Kritik, die 
Führungsverantwortung delegiert zu haben. Tatsächlich überließ er das
deutschen Bundeskanzlerin Tempo und Rhythmus der Krisen-Diplomatie zu
bestimmen. Dass transatlantischen Partner erkennbar außer Tritt 
geraten sind, offenbart das ganze Dilemma einer Arbeitsteilung, die 
überfordert. Merkel und die Deutschen fühlen sich sichtbar unwohl, 
von Obama in eine internationale Führungsrolle gedrängt zu werden. 
Die Kanzlerin muss bei ihrem Besuch in Washington vor allem eines 
versuchen: Erwartungsdiät zu betreiben. Merkel weiß, dass sie im 
Konflikt um den Osten der Ukraine nicht viel mehr als die Rolle einer
Vermittlerin übernehmen kann. Aufgrund ihrer russischen 
Sprachkenntnisse ist sie geradewegs prädestiniert, als Emissärin des 
Westens zu versuchen, Vladimir Putin zur Vernunft zu bringen. Deshalb
werden ihre Erkenntnisse aus den Gesprächen in Moskau mit Spannung im
Weißen Haus erwartet. Nur lösen kann Merkel das Problem für Obama 
nicht. Europa fehlt der sicherheitspolitische Unterbau, eine 
Gesamtstrategie für den Umgang mit den neuen Herausforderungen durch 
die neo-russische Sammlungspolitik zu entwickeln. Den zuletzt mehr 
mit sich selbst beschäftigten Amerikanern fällt ihrerseits nicht viel
anderes ein, als Waffen an die Ukraine zu liefern. Dafür mag es gute 
Gründe geben. Doch allein ist das nicht genug, eine Antwort auf einen
Territorial-Konflikt des vergangenen Jahrhunderts zu finden, der in 
Europa nach dem zweiten Weltkrieg eigentlich nicht mehr möglich 
schien. Nicht minder fantasielos erweist sich die US-Außenpolitik bei
der Antwort auf die Bedrohung, die von den nicht-staatlichen Akteuren
der IS ausgeht. Die Anschläge von Paris sollten als Weckruf 
verstanden werden, der noch einmal die Sensibilität für die Gefahren 
durch asymmetrische Kriegsführung schärft. Mit Luftschlägen allein 
wird sich das Problem jedenfalls nicht aus der Welt schaffen lassen. 
Bisher stehen die transatlantischen Partner einigermaßen ratlos vor 
einer geopolitischen Doppelkrise, für die es weder in den USA noch in
Europa ein Vorbild gibt. Die Supermacht steht dabei in der Pflicht, 
die Führung zu übernehmen statt sie zu delegieren. Das gilt für den 
Konflikt mit Russland um die Verletzung der territorialen Integrität 
eines souveränen Staates in Europa, aber auch für die Formulierung 
einer Gegenstrategie zu dem Terror nihilistischer Gotteskrieger im 
Mittleren Osten. Die von Obama gewünschte und den Europäern in der 
Vergangenheit so oft verlangte transatlantische Arbeitsteilung muss 
realistisch bleiben. Die Gespräche im Weißen Haus geben Merkel 
Gelegenheit, den Präsidenten zu einer aktiveren Rolle in der 
Doppelkrise zu bewegen.
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