(ots) - Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz, 
formulierte der Bundespräsident am Dienstag, Gedenktag für die Opfer 
des Nationalsozialismus. Wer wahrhaft leben wolle, müsse sich dessen 
bewusst sein. Gauck hat Recht. Identität verschafft man sich nicht, 
sie ist einem gegeben, man kann sich ihrer nicht entledigen, kann sie
allenfalls leugnen. Wer das deutsche Staatswesen, wie es heute ist, 
betrachtet, sieht darin die Folgen vieler Schnitte, Einflüsse und - 
woran an einem solchen Tag zu erinnern ist - vieler Verbrechen. 
Auschwitz steht für ein besonders grässliches. Doch »Nie wieder 
Auschwitz« ist nur die halbe Erkenntnis, zu der die Opfer jeden »die 
Wahrheit lebenden« Deutschen nötigen, und sie macht sogar blind ohne 
den anderen Teil des Satzes: »Nie wieder Krieg«. Es gibt keine 
deutsche Identität auch ohne Stalingrad, ohne Marzabotto in Italien 
und ohne das griechische Distomo. Es sind neben sechs Millionen Juden
20 Millionen Sowjetbürger zu betrauern, davon allein 3,3 Millionen 
getötete Kriegsgefangene. Es ist der fünf Millionen getöteten Polen 
zu gedenken. Es muss beunruhigen, dass Gedenken in Auschwitz ohne 
Russlands Präsidenten akzeptabel erscheint. Es ist an solch einem Tag
Scham angebracht auch über die jahrelang verweigerte Rehabilitierung 
deutscher Deserteure oder die ignorierte Schuld gegenüber Sinti und 
Roma, Homosexuellen oder als Asoziale diffamierte Opfer. Würdiger 
Umgang mit diesen Zeugen deutscher Schuld verlangte, auch ihre Würde 
zum Bestandteil deutscher Staatsräson zu machen.
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