(ots) - Wer seine Lage einschätzen möchte, der hat
mehrere Möglichkeiten der Bewertung. Er kann fragen, ob es ihm gerade
besser geht oder schlechter als etwa vor einem Jahr. Er kann dieselbe
Frage stellen unter Berücksichtigung dessen, was absehbar auf ihn
zukommt. Er kann aber auch andere Vergleichsparameter heranziehen.
Ein solcher ergibt sich beim Blick über den eigenen Tellerrand. Und
exakt dieser Blick empfiehlt sich, um einem Lamento entgegenzuwirken,
das speziell den Deutschen nicht ganz wesensfremd ist.
Wie jeder Jahreswechsel bringt auch dieser eine Vielzahl
gesetzlicher Änderungen. Die meisten sind in Cent und Euro zu
beziffern. An der einen Stelle muss etwas mehr berappt werden, an der
anderen sorgt der Staat für leichte Entlastung. Hier steigt der
bürokratische Aufwand, dort sinkt er. Es gibt neue Regularien, dies
und jenes muss künftig anders gehandhabt werden. Das muss man zur
Kenntnis nehmen - aber dann gäbe es summa summarum reichlich Anlass,
sich entspannt zurückzulehnen. Zumindest für die große Mehrheit der
Menschen in diesem Land.
Denn der Blick über den Tellerrand lässt all diese Änderungen zu
Marginalien schrumpfen. Keinem Land in der Europäischen Union geht es
gesamtwirtschaftlich betrachtet besser als Deutschland. In Südeuropa
- vor allem in Griechenland - sind viele Menschen in einer
existenziellen Krise. Und über die allermeisten von ihnen ist sie
hereingebrochen, ohne dass sie persönlich dafür verantwortlich wären.
Man könnte daraus zwei Schlüsse ziehen. Erstens: Die vielgescholtenen
deutschen Politiker können nicht alles falsch gemacht haben. Sie
haben das Land im Gegenteil fast schon bravourös durch die
europäische Krise geführt. Zweitens: Es gibt genügend Gründe, dankbar
zu sein für eine stabile wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage,
auf die andere Europäer mit Neid oder Bewunderung schauen. Und aus
dieser Dankbarkeit sollte eine gewisse Großherzigkeit resultieren.
Wem es so gut geht, dem darf es eigentlich nicht schwer fallen,
andernorts nach Kräften zu helfen.
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