PresseKat - Innenministerium verspricht mehr Bürgerbeteiligung bei Großprojekten - aber nur scheinbar

Innenministerium verspricht mehr Bürgerbeteiligung bei Großprojekten - aber nur scheinbar

ID: 570745

(ots) - Wortlaut des Gesetzentwurfs des BMI zur Neuregelung
von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) widerlegt die verkündeten
Ziele - Mehr Akzeptanz und zeitgemäße Bürgerbeteiligung so nicht
erreichbar - Auch die versprochene Vereinheitlichung der Verfahren
wird verfehlt - "Wenig gelernt aus Stuttgart 21"

Das Bundesinnenministerium (BMI) bleibt immun gegen den Wunsch von
immer mehr Bürgerinnen und Bürgern nach einer frühzeitigen und
ernsthaften Beteiligung bei der Planung von Großprojekten. Das ergibt
sich nach einer Analyse der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) aus
einem Gesetzentwurf des BMI, mit dem eine Reihe von Vorschriften im
Zusammenhang mit Planfeststellungsverfahren geändert werden sollen
und der im Januar unter anderem der DUH zur Stellungnahme übersandt
wurde. Geändert werden sollen mit dem Gesetzentwurf aus dem Haus von
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) das allgemeine
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und mehrere Fachplanungsgesetze
wie etwa das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und das
Fernstraßengesetz (FStrG).

Ein erster Entwurf des Gesetzesvorhabens war bereits im Herbst
2010, zu Hochzeiten der Auseinandersetzungen um das Bahnhofsprojekt
Stuttgart 21, bekannt geworden - damals unter dem Namen "Gesetz zur
Vereinheitlichung und Beschleunigung von Planfeststellungsverfahren"
(PlVereinhG). Zu Beginn dieses Jahres firmiert das Gesetz nun unter
derselben Abkürzung, es heißt allerdings anders: "Gesetz zur
Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von
Planfeststellungsverfahren".

"Die akzeptanzheischende Namensänderung erinnert ein wenig an
George Orwell", kommentiert die Leiterin Klimaschutz und Energiewende
der DUH, Rechtsanwältin Cornelia Ziehm. "Denn in Wirklichkeit hat
das Bundesinnenministerium aus Stuttgart 21, den Protesten gegen neue




Stromtrassen oder die Flughafenvorhaben in Berlin und Frankfurt wenig
gelernt". In öffentlichen Äußerungen und Hintergrundgesprächen hatte
das BMI als Ziel des Gesetzesvorhabens nicht nur die
"Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren" beschworen,
sondern auch eine "Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung" bei
Großvorhaben. Ziehm: "Leider hält der Gesetzentwurf nicht, was er
verspricht. In der vorliegenden Fassung wird das angebliche Ziel
einer zeitgemäßeren Ausgestaltung von Genehmigungsverfahren und einer
besseren Beteiligung der Öffentlichkeit verfehlt, mit neuen
Regelungen etwa zur so genannten Präklusion sogar konterkariert."

So soll künftig ein neuer Absatz 3 in § 25 VwVfG angeblich eine
"frühe Öffentlichkeitsbeteiligung" sicherstellen. Tatsächlich jedoch
werden weder die Genehmigungsbehörde noch der Vorhabenträger dazu
verpflichtet. Vielmehr begnügt sich der BMI-Entwurf mit einer
Vorschrift, wonach die Behörde darauf "hinwirkt", dass der
Antragsteller "die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die
Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen und die
voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens unterrichtet". Tut die
Behörde das nicht oder führt der Vorträger keine frühe
Öffentlichkeitsbeteiligung durch, macht das nach den Vorstellungen
des BMI nichts. Dazu passt es, dass nicht einmal Regelungen
vorgesehen sind, wie beispielsweise eine frühe
Öffentlichkeitsbeteiligung der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden
müsste.

Das Ziel, über mehr Beteiligung mehr Akzeptanz und am Ende weniger
zeitaufwändige Gerichtsverfahren zu erreichen, werde so absehbar
verfehlt. "So wie sie ist, bleibt die Vorschrift zahnlos und weckt
Zweifel an einer ernsthaft gewollten frühen Einbeziehung der
Öffentlichkeit bei der Planung von Großvorhaben und der Diskussion
von Alternativen", erklärt Ziehm.

Die DUH vermisst in dem Gesetzentwurf außerdem jeden Fortschritt
bei der Bekanntmachung und der Auslegung von Planunterlagen. Im
vergangenen Sommer hatte der Gesetzgeber im so genannten
Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) eine zeitgemäße und
bürgerfreundliche Regelung beschlossen und die Veröffentlichung
sowohl der Bekanntmachung als auch der Planunterlagen im Internet
festgelegt. Im nun vorliegenden Gesetzentwurf würden Bürgerinnen und
Bürger "wieder auf die Amtsstuben und deren Öffnungszeiten"
verwiesen, heißt es in der DUH-Stellungnahme. Der Erörterungstermin
soll außerdem laut BMI-Entwurf zur Beschleunigung des Verfahrens
erstmals verbindlich auf drei Monate begrenzt werden. Dies werde der
Komplexität vieler Großvorhaben nicht gerecht und nur dazu führen,
dass wesentliche Belange nicht oder nicht angemessen verhandelt
werden können, moniert die DUH.

Als untragbar z.B. für betroffene Anwohner sieht die DUH zudem,
dass Vorschriften im EnWG und FStrG unverändert bleiben sollen,
wonach der Realisierungsbeginn eines einmal genehmigten Großvorhabens
vom Vorhabenträger um bis zu 15 Jahre verzögert werden kann. Nach
Baubeginn mit anschließender Bauunterbrechung gibt es in den
genannten Fachgesetzen dann gar keine Fristen mehr für den Weiterbau
oder die Vollendung eines Vorhabens. Das betrifft übrigens auch die
Anbindung von Offshore-Windparks. Gelingt diese aber nicht, bliebe
ein weiterer von der Bundesregierung beschlossener wesentlicher
Baustein der Energiewende Makulatur. Die DUH fordert deshalb, wieder
eine einheitliche Frist von fünf Jahren festzusetzen, nach der die
rechtskräftige Genehmigung eines Großvorhabens verfällt. Ebenso
sollte die Genehmigung hinfällig werden, wenn die Errichtung für mehr
als ein Jahr unterbrochen wird und die Unterbrechung nicht von einer
Behörde angeordnet wurde.

Im Herbst 2010 - zu Hochzeiten der Stuttgart 21-Debatte - hatte
der erste Entwurf aus dem BMI für Schlagzeilen gesorgt, weil er
Erörterungstermine insgesamt ins Belieben der Behörden stellen
wollte. Nun soll der obligatorische Erörterungstermin im VwVfG
unverändert bleiben, ebenso allerdings Vorschriften in Fachgesetzen
in denen der verpflichtende Erörterungstermin angeblich aus Gründen
der Verfahrensbeschleunigung abgeschafft worden ist. Ziehm: "Das wäre
das exakte Gegenteil von Rechtsvereinheitlichung. Auch im Sinne der
Akzeptanzförderung sollte der Erörterungstermin - wieder - in
sämtlichen Planungsverfahren für Großvorhaben obligatorisch werden."

Die DUH-Stellungnahme zur Neuregelung von
Planfeststellungsverfahren finden Sie unter:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2782 .



Pressekontakt:
Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0160 94182496;
Tel.: 030 2400867-0, E-Mail: ziehm(at)duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0; Mobil: 0171 5660577;
E-Mail: rosenkranz(at)duh.de


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Datum: 09.02.2012 - 10:14 Uhr
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