Bildungsnotstand für Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen.
(firmenpresse) - Auf der Fachtagung „Chancengleichheit herstellen, Diskriminierung vermeiden“ am 10.11.2007 im Universitätsklinikum Eppendorf wurde erneut deutlich, dass individuelle Förderung zwar in den Schulgesetzen verankert ist, in der Praxis aber kaum realisiert wird. Die Fachtagung sollte dazu beitragen, über das Störungsbild der Legasthenie aufzuklären, die rechtlichen Ansprüche der betroffenen Kinder aufzuzeigen und den Anstoß geben, wie schulisch auf die Belange von Legasthenikern eingegangen werden muss, um ihnen eine Chancengleichheit in unserem Bildungssystem zu verschaffen.
Dr. Andreas Richterich, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendpsychosomatik des Universitätsklinikums Eppendorf hat in seinem Vortrag aufgezeigt, dass Kinder mit einer Legasthenie eine neurobiologische Beeinträchtigung haben, die sie daran hindert, eine ihrer Begabung entsprechende Lese- und Rechtschreibkompetenz zu entwickeln. Bei diesen Kindern sei es außerordentlich wichtig, über die multiaxiale Diagnostik die Teilleistungsschwäche medizinisch abzusichern, denn nur so könne der richtige Therapieansatz herausgearbeitet werden. Die Legasthenie habe unterschiedliche Ausprägungen und bedürfe einer individuellen Therapie. Dr. Richterich hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, auf das Störungsbild der Kinder einzugehen, denn psychosomatische Störungen als Folgesymptomatik sind keine Seltenheit, sondern treten bei bis zu 75% der betroffenen Kinder auf, ca. 25% der Kinder seien suizidgefährdet. Im Übrigen ende die Legasthenie nicht mit der Pubertät oder wachse sich aus, sondern bleibe eine dauerhafte Beeinträchtigung.
Frau Prof. Christine Langenfeld vom Institut für öffentliches Recht der Universität Göttingen stellte dem Plenum ihr Gutachten zur rechtlichen Situation von Legasthenikern vor und zeigte auf, dass betroffene Schüler das Recht auf Nachteilsausgleich und Notenschutz haben, unabhängig von den schulischen Regelungen in den Ländern. Der Anspruch leite sich direkt aus dem Grundgesetz ab und sei somit bundesweit wirksam.
Die dazu notwendige Diagnostik der Legasthenie müsse Fachkräften vorbehalten bleiben und könne nicht im Ermessen der Lehrer oder Schulen stehen. Die aktuellen Erlasse und Regelungen in Hamburg und Schleswig-Holstein seien verfassungswidrig, da sie Legasthenikern keine Chancengleichheit ermöglichen. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler werden daran gehindert, einen begabungsrechten Bildungsabschluss erreichen. Langenfeld hat in ihrem Vortrag mehrfach betont, dass die Lese- und Rechtschreibkompetenz keinerlei Einfluss auf die fachliche Kompetenz der betroffenen Schüler habe und man sich auch eine Vielzahl von akademischen Berufen vorstellen könne, wo die Rechtschreibkompetenz keinerlei Bedeutung hat. Außerdem stünden Legasthenikern im Berufsleben viele technische Hilfsmittel wie z.B. PC mit Rechtschreibprogrammen und Diktiergeräte zur Verfügung, mit denen die Schwäche gut kompensiert werden könne.
Als weitere Referenten waren Vertreter der Bildungsministerien aus Hamburg und Schleswig-Holstein geladen. Herr Malitzky aus Hamburg hat in seinem Vortrag aufgezeigt, dass Hamburg auf die Förderung der Schüler fokussiert und für die 5% der schlechtesten Rechtschreiber bei Bedarf auch eine außerschulische Förderung vorsieht. In Schleswig-Holstein steht ein neuer Erlass vor der Verabschiedung und so konnte Frau Wallrodt nur bedingt Aussagen zum zukünftigen Erlass machen. In Schleswig-Holstein möchte man mehr auf die Stärken der Schüler setzen und allen Kindern gerecht werden. Nach den Vorträgen wurde in der Podiumsdiskussion offensichtlich, dass die Bildungspolitik dem Störungsbild der Legasthenie nicht gerecht wird, denn insbesondere in Hamburg werden alle rechtschreibschwachen Kinder in einen Topf geworfen, unabhängig von der Ursache. Mit der 8. Klasse enden in Hamburg und mit der 10. Klasse in Schleswig-Holstein Schutzmaßnahmen bzw. Nachteilsausgleiche und so wird man in keiner Weise Legasthenikern gerecht, die die Begabung für ein Abitur mitbringen. Herr Gleim, Leiter der Rechtsabteilung im Ministerium für Bildung und Sport sieht in Hamburg keinerlei Handlungsbedarf, den Erlass zu überarbeiten, denn man könne nicht auf alle unterschiedlichen Teilleistungsstörungen Rücksicht nehmen. Frau Prof. Langenfeld brachte erneut zum Ausdruck, dass damit keine Chancengleichheit für Legastheniker geschaffen würde und empfiehlt den Eltern, in letzter Konsequenz den Klageweg zu beschreiten.
Die Eltern im Plenum haben ihren Unmut über Willkür und Nichtbeachtung der Rechte ihrer Kinder zum Ausdruck gebracht und sie werden es nicht weiter hinnehmen, dass auf die Belange ihrer Kinder keine Rücksicht genommen wird. Die (LVL) Landesverbände Legasthenie und Dyskalkulie e.V. Hamburg und Schleswig-Holstein, die zu der Fachtagung eingeladen haben, werden die Eltern dabei unterstützen, die Rechte ihrer Kinder einzufordern.
Frau Margitta Siems, Vorsitzende des LVL Hamburg und Herr Matthias Höinghaus, Vorsitzender des LVL Schleswig-Holstein, bedauern es sehr, dass Kinder, bei denen eine medizinisch diagnostizierte Legasthenie vorliegt, keine Chancengleichheit in unserem Bildungssystem erhalten. In den Schulgesetzen würde der Anspruch auf individuelle Förderung festgeschrieben, der aktuell kaum umgesetzt wird. Dr. Richterich hat nochmals deutlich gemacht, dass Legastheniker trotz Förderung immer gegenüber den anderen Kindern benachteiligt bleiben, da sie aufgrund der neurobiologischen Störung gar nicht in der Lage sind, ihr Handicap vollständig zu kompensieren. Frau Prof. Langenfeld hat es zum Abschluss der Veranstaltung auf den Punkt gebracht: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass noch nicht mal die Möglichkeiten ergriffen werden, die die Bildungspolitik nichts kosten. Nachteilsausgleiche und Notenschutz sind ohne zusätzliche Kosten umsetzbar und wirken für die betroffenen Kinder sofort – als wirksame Maßnahme zur Schaffung von Chancengleichheit!“
Weitere Informationen sind auf den Homepages der Landesverbände und des BVL (Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V.) sowie im Sonderheft „Chancengleichheit herstellen, Diskriminierung vermeiden“ abrufbar:
- www.bvl-legasthenie.de
- www.lvl-hamburg.de
- www.lvl-sh.de
Abdruck frei, Belegexemplar erbeten
819 Wörter, 6.354 Zeichen mit Leerzeichen
Hintergrundinformationen:
Ãœber den Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V.
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. besteht seit über 30 Jahren und ist eine Interessenvertretung von Betroffenen und deren Eltern sowie von Fachleuten (Pädagogen, Psychologen, Ärzten, Wissenschaftlern und im sozialen Bereich Tätigen), die sich in Theorie und Praxis mit der Legasthenie und Dyskalkulie auseinandersetzen. Er trägt dazu bei, dass gesetzliche Grundlagen und wissenschaftliche sowie praktische Möglichkeiten der Hilfe in allen Bundesländern geschaffen und verbessert werden. Durch persönliche Beratung, Informationsschriften und Hinweise auf geeignete Literatur sollen die Eltern die Schwierigkeiten ihrer betroffenen Kinder besser verstehen lernen. Der BVL fördert durch wissenschaftliche Kongresse und Veröffentlichungen die Forschung und den wissenschaftlichen Dialog unter Fachleuten aller beteiligten Disziplinen. Durch Informationen und Zusammenarbeit mit den Medien macht der BVL die Probleme der Legastheniker und Dyskalkuliker bekannt.
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