(ots) - Ob Junglehrer oder sturmerprobter Pauker alter
Schule: kein Lehrer kann anständig unterrichten, wenn es im
Klassenraum zu laut ist. Nicht anders verhält es sich mit der
Schulpolitik in NRW, in der das Grundrauschen gerade dramatisch
ansteigt. Die extreme Zurückhaltung der Gymnasien beim Angebot, das
vorgeblich so furchtbare Turbo-Abi abzuschütteln, ist nur ein
Beispiel. Rot-Grün wurde zu Oppositionszeiten nicht müde, von
Pleiten, Pech und Pannen zu berichten. Das wird selbst am Gymnasium
Blomberg bestritten, das allein auf weiter Flur zum G9 zurück will:
Schulleiter Karsten Fahrenkamp: »Das G8 läuft sehr gut. Von der
angeblich riesigen Überforderung der Schüler sind wir weit entfernt«.
Alle 630 Gymnasien in NRW haben den Wunsch, endlich wieder in Ruhe
unterrichten und im besten Sinne Bildung zu vermitteln. Stattdessen
löst der zweite Schulversuch von Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne)
ein eigentümliches Windhundrennen aus. Denn, wer auf dem Heiratsmarkt
zur Bildung neuer Gemeinschaftsschulen am schnellsten das Ja-Wort
spricht, klaut dem Nachbarn die schönste Braut. Hier sind es die
Stadträte, die auf sinkende Schülerzahlen mit Schließungen und
Zusammenlegungen antworten. Die Bevorzugung der neuen Schulform bei
Stundenzahl und Ausstattung treibt zudem Keile in die Lehrerschaft
gut laufender Hauptschulen (jawohl, die gibt es) und absolut stabiler
Realschulen. In Bielefeld erfahren soeben schon die
Kindergarteneltern, was ihnen in der kommenden Schullaufbahn der
Sprösslinge noch alles blüht. 30 000 Unterschriften - doppelt soviel
wie für ein Bürgerbegehren erforderlich - erlauben trotzdem kein Veto
gegen die Schließung von fünf der 47 Grundschulen im Stadtgebiet. In
Paderborn soll eine funktionierende Realschule zur Gesamtschule
werden, obwohl diese stets genauso Schüler abweisen muss, wie die
anderen zwei Gesamtschulen an der Pader. Elternwille zählt nicht,
obwohl die Mitsprache in der NRW-Verfassung höchsten Schutz genießt.
Der Trick: Eltern müssen bei Neugründungen und der Ausweitung des
Systems gefragt werden, nicht aber bei Zusammenlegungen und
Schließungen. Kurzum: Unsere Verfassung ist von gestern und die
Betroffenen sind der Schulentwicklungsplanung für morgen
ausgeliefert. Mit großer Geste weist die Landesregierung dabei auf
den Konsens vor Ort und will in nichts hineinregieren. In Wahrheit
überlässt sie damit einer egozentrischen Rette-sich-wer-kann-Haltung
das Feld. Schulpolitik ist ein heißes Eisen, deshalb mischt
Düsseldorf die Schulen mit allerlei Versuchen und Pflichtdebatten
auf, hält sich aber aus den Konsequenzen fein heraus. Das mag aus
strategischer Sicht raffiniert sein. Vor Ort ist das nichts anderes
als eine massive Störung des Unterrichts.
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