(ots) - Demonstranten im Tränengasnebel, Wasserwerfer im
Einsatz, kreisende Polizeiknüppel - die Bilder aus Stuttgart erinnern
in beklemmender Weise an jene aus den 70er-Jahren, als in Brokdorf
und Kalkar die Schlachten zwischen Polizei und Atomkraft-Gegnern
tobten.
Bei der jüngsten Eskalation im Streit um das Bahnhofsprojekt
"Stuttgart 21" geht es - auch das ähnlich wie damals - im Grunde
nicht um die Frage, auf welcher Seite die Schuld liegt für die
Verschärfung der Auseinandersetzung. Es geht letztlich darum, ob eine
demokratisch legitimierte Entscheidung auf Druck der Straße gegen
bessere Einsicht wieder kassiert wird - und die Politik damit
gleichsam einen Offenbarungseid ablegt.
Man kann für oder gegen einen unterirdischen Bahnhof sein, der
Milliarden verschlingt. Wer Bedenken hat, kann diese in den
Planungsprozess einbringen, für seine Position werben, gewaltfrei
demonstrieren, eine Bürgerinitiative gründen, wenn er will auch eine
Partei. All dies ist unbestritten, ja, solch bürgerschaftliches
Engagement ist sogar willkommen. Aber: Wer auf diese Weise kämpft,
der muss auch akzeptieren, wenn er letztlich keine Mehrheit findet.
Sollte die Politik nun angesichts der gewalttätigen
Auseinandersetzungen "Stuttgart 21" kippen, wäre dies das falsche
Signal: Man muss nur laut genug schreien, dann knicken die
Regierenden schon ein. Heute ist es ein Bahnhof, morgen ein
Industriebetrieb. Und übermorgen womöglich die Gesundheitsreform.
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