(ots) - Weltverbesserer, Aufklärer oder Verräter? Wer
mehr als 90 000 zumeist geheime Militärakten zum Afghanistan-Einsatz
ins Internet stellt, sollte ganz genau wissen, was er tut.
Kriegsverbrechen aufdecken und zum Verständnis der Kämpfe am
Hindukusch beitragen - so begründet der Australier Julian Assange
sein Handeln. Damit bewegt er sich auf einem gefährlichen Pflaster.
Denn der Gründer der Internetplattform Wikileaks kann nicht ein
Beispiel von Kriegsverbrechen nennen. Wenn er und seine Mitstreiter
alle Akten, wie sie jetzt behaupten, geprüft haben, hätten sie auf
mehr Konkretes stoßen müssen. Und auch die Medien, die alle
Unterlagen vorab auf ihren politische und militärische Brisanz hin
abgeklopft haben, kamen zu dem Schluss, dass die Akten nicht im
Widerspruch zu den bisherigen offiziellen Verlautbarungen der
Regierungen stehen. Das heißt, Beweise für klare Lügen ließen sich
nicht finden. Dafür sind unbequeme Fakten in den Unterlagen
aufgeführt. Offenbar gibt es mehr Opfer in der afghanischen
Zivilbevölkerung, als offiziell zugegeben wird. An anderer Stelle
sind Aussagen über die afghanischen Verbündeten zu finden: Einige
seien unzuverlässig und korrupt, andere unterdrücken die eigenen
Landsleute. Experten lesen auch aus den Dokumenten, dass der
pakistanische Militärgeheimdienst ISI Extremisten in Afghanistan
unterstützt. Und vom Gelände des deutschen Feldlagers in
Masar-i-Scharif operiert die US-Einheit »Task Force 373«, die den
Auftrag hat, gezielt Taliban-Führer festzunehmen oder zu töten.
Deshalb mögen diese Einzelheiten schockieren - sie sind aber nicht
neu. In Afghanistan herrscht Krieg. Dennoch kann die Veröffentlichung
der Akten schlimme Folgen haben. Die Taliban können aufgrund der
ausführlichen Berichte Rückschlüsse auf die Informanten der
verbündeten Truppen ziehen. Auf Gnade darf niemand hoffen. Natürlich
ist es für die US-amerikanische Regierung und ihre Verbündeten eine
herbe Schlappe, dass die Dokumente überhaupt an die Öffentlichkeit
gelangt sind. Für Präsident Barack Obama wird es dadurch nicht
leichter, um Unterstützung für den gefährlichen und verlustreichen
Einsatz in Afghanistan zu werben. Obamas Sicherheitsberater James
Jones nannte die Veröffentlichung der Akten gar »unverantwortlich«.
Er sieht die nationale Sicherheit des Landes in Gefahr. Viel
gelassener geht hingegen das deutsche Verteidigungsministerium mit
der Veröffentlichung um: »Nichts Neues im Sinne des
Nachrichtenwertes«. Die Wahrheit wird vermutlich - wie so oft - in
der Mitte liegen. Immerhin räumt das Weiße Haus jetzt ein, dass sich
die Sicherheitslage am Hindukusch verschlechtert habe. Das sagen die
Bundeswehrsoldaten schon lange wieder, nur hören wollte das niemand.
Hoffentlich wird ihnen jetzt geglaubt.
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