(ots) - Premiere in Düsseldorf. Die erste
Minderheitsregierung im größten Bundesland geht an den Start. Und von
Beginn an schwebt über dem Konstrukt das Damoklesschwert des
Scheiterns. Die neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die vom
grünen Partner ja erst zum Jagen getragen werden musste, wird eine
Menge taktisches und politisches Geschick zeigen müssen, soll das
rot-grüne Minderheitsexperiment zur Erfolgsgeschichte werden. Und ein
Experiment ist die Regierung Kraft-Löhrmann in mehrfacher Hinsicht.
Zwar gab es in Deutschland schon Minderheitsregierungen; meist
waren sie jedoch Provisorien, Übergangslösungen. Rot-Grün 2010 ist
aber nicht aus der Not geboren; die SPD hätte auch in eine stabile
Große Koalition mit der CDU einsteigen können, die Grünen hatten die
Option einer Jamaika-Koalition. Zudem haben Sozialdemokraten und
Grüne ausdrücklich betont, sich zwar für ihre Politik von Fall zu
Fall wechselnde Mehrheiten suchen zu wollen, gleichwohl aber
dauerhaft regieren zu wollen.
Ein Experiment ist die neue Regierung auch deshalb, weil sie auf
die Zustimmung der Linkspartei angewiesen ist, die erstmals in einem
westdeutschen Flächenland gleichsam mit am Kabinettstisch sitzt. Auch
wenn Kraft ausdrücklich alle Parteien zum Mitregieren einlädt - die
wichtigen Pläne von Rot-Grün, in der Schulpolitik, beim Thema
Energie, aber auch beim heiklen Punkt Neuverschuldung, dürften bei
CDU und Liberalen keine Zustimmung finden. So ist Rot-Grün faktisch
der Linkspartei ausgeliefert.
Trotzdem hat die Minderheitsregierung auch für die Opposition
Experiment-Charakter. CDU und FDP werden sich nicht lange auf die
bequeme Rolle der Frontalopposition zurückziehen können. Weil Rot und
Grün allein nicht regieren können, stehen auch sie in der politischen
Verantwortung - ob ihnen das gefällt oder nicht. Umso wichtiger ist
es, dass sie nach ihrem Wahldebakel schnell wieder voll
geschäftsfähig werden, personell wie inhaltlich. In Berlin wird das
Düsseldorfer Experiment mit großem Interesse verfolgt. SPD-Chef
Gabriel hat gerade öffentlich darüber spekuliert, dass das
nordrhein-westfälische Minderheitenmodell auch ein Vorbild für Berlin
sein könnte. NRW als Blaupause für den Bund. Mal wieder.
All dies macht klar: Hannelore Kraft steht mächtig unter Druck.
Die Frau, die als Seiteneinsteigerin mehr zufällig als gezielt ihre
Politik-Karriere begann, hat in politisch wie wirtschaftlich schweren
Zeiten unter nicht minder schwierigen Vorzeichen die Macht in NRW
übernommen. Glückauf.
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