(ots) - Aus der Traum. Die deutsche Mannschaft hat verloren.
Verloren? Tatsächlich gibt es keinen Grund zu trauern. Denn sie hat
gewonnen. Deutschland hat gewonnen. Rundum hat diese Mannschaft ein
positives Bild abgegeben, bei ihren Siegen ebenso wie in ihrer
Niederlage. Die anderen waren eben besser - jeder der deutschen
Spieler gab es offen zu. Sympathisch.
Überhaupt schlägt dem Land eine neue, ungewohnte Sympathie
entgegen. Bei einer Befragung in 34 Ländern der Welt schnitt
Deutschland kürzlich als das beliebteste aller Länder ab. Erstaunt
nehmen wir Inländer zur Kenntnis, wie sich das Bild Deutschlands im
Ausland gewandelt hat - erstmals deutlich spürbar 2006. Verblasst ist
das Image der beflissenen, pünktlichen, fleißigen, erfolgreichen,
aber irgendwie spießigen, langweiligen und großkotzigen Deutschen.
Für die berühmten "deutschen Tugenden" werden wir nicht mehr
ängstlich verspottet, sondern maßvoll geachtet. Weil sie ihren
ideologischen Unterton verloren haben.
Bis hierhin war es ein langer Weg. Wer noch vor 15 Jahren auf die
Idee gekommen wäre, eine Deutschlandfahne in seinem Vorgarten zu
hissen, hätte sich dem Vorwurf des Nationalismus ausgesetzt. Der
unbefangene - nicht unkritische! - Umgang mit der Nation und ihren
Symbolen konnte erst möglich werden durch eine ernsthafte und weiter
andauernde Beschäftigung mit der Vergangenheit. Auch ausgelöst durch
den Unmut, ja die Wut der Nachkriegsgeneration in den 60er- und
70er-Jahren über das Schweigen der Väter und eine restaurative
Politik hat sich die Bundesrepublik wie kaum ein anderes Land mit
ihrer Geschichte und ihrer Schuld beschäftigt. Dies geschah, auch
gegen Widerstände, offen und breit in Kunst, Wissenschaft, Literatur
und Politik. So lässt sich eine - unvollständige - Linie ziehen von
Brandts Kniefall in Warschau über Grass' Blechtrommel, die
Studentenproteste und die Wiedervereinigung bis zum Holocaust-Mahnmal
in Berlin.
Dieses neue, offenere Verständnis von Nation will die
NS-Vergangenheit nicht entsorgen. Es baut vielmehr auf der Gewissheit
auf, sich deren Ursachen und Folgen gestellt und eine stabile, freie
und weltoffene Demokratie errichtet zu haben. Und es belegt die alte
Weisheit, dass eine Gesellschaft nur dann eine Chance auf eine gute
Zukunft hat, wenn sie sich ihrer Vergangenheit gewiss ist.
So hat Deutschland trotz der Niederlage gewonnen. Bei der WM wurde
sichtbar, was Jahrzehnte dauern musste. Auf dem Platz standen
übrigens Gomez, Khedira, Trochowski, Özil, Klose und Podolski.
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