PresseKat - WAZ: Schulz wird die Chance nutzen, die er nicht hat - Leitartikel von Alexander Marinos zum TV-Wa

WAZ: Schulz wird die Chance nutzen, die er nicht hat
- Leitartikel von Alexander Marinos
zum TV-Wahlduell am Sonntag

ID: 1525323

(ots) - Sie kennen mich. Mit diesem an Langeweile kaum zu
überbietenden Satz hat Angela Merkel vor vier Jahren die
Bundestagswahl gewonnen. Da konnte ihr Herausforderer Peer Steinbrück
vor laufenden Kameras so haifischartig lächelnd argumentieren, wie er
wollte. Am Ende entschieden sich die meisten Deutschen für die
unaufgeregte Sachwalterin und Bewahrerin, die mit Ruhe und
Rationalität das Land durch die Krisen geführt hat. Sie entschieden
sich in dieser Hinsicht - und das ist im Kern paradox - für eine
Konservative, die ihre Partei konsequent auf links gedreht und damit
dauerhaft mehrheitsfähig gemacht hat. Merkel wird den
Sie-kennen-mich-Satz, der in der nunmehr 60-jährigen Tradition des
Adenauer-Slogans "Keine Experimente!" steht, so am Sonntag beim
TV-Duell mit SPD-Kandidat Martin Schulz nicht wörtlich wiederholen.
Aber im Grunde geht es wieder genau darum. Warum benötigt Deutschland
eine neue Regierungsspitze, wenn es uns doch derzeit verhältnismäßig
gut geht? Und wenn Deutschland eine neue Spitze benötigen würde - was
genau wäre "neu" an einem Martin Schulz und seiner SPD, die seit
Beginn der Kanzlerschaft Gerhard Schröders 1998 bis heute anderthalb
Jahrzehnte mitregiert hat?

Es ist diese - noch so ein Paradoxon - komfortable, auf den ersten
Blick völlig unspannende Ausgangslage einer in den Umfragen weit
vorne liegenden Kanzlerpartei, die das TV-Duell dann doch wieder
spannend macht. Denn Schulz kann mit maximalem Verzweiflungsmut in
diese einzige direkte Auseinandersetzung mit Merkel gehen, weil er
nichts zu verlieren hat. Merkel dagegen muss darauf achten, dass das
Duell zu keinem Zeitpunkt ein für sie nützliches Verflachungsniveau
überschreitet und somit zur Initialzündung einer bislang nicht
messbaren Wechselstimmung im dahindümpelnden Wahlkämpfchen werden
könnte.




Wie volatil politische Stimmungen sind, hat ja gerade dieser
Martin Schulz unmittelbar nach seiner Nominierung zum
Kanzlerkandidaten schmerzhaft erfahren müssen. Wie in einer Kantine,
die jeden Tag Schnitzel mit Pommes anbietet, stürzten sich plötzlich
alle auf das alternative Gericht mit der spritzig-roten Soße nach
Würseler Art - um kurz danach doch wieder zum altbewährten
Trägemacher-Fettessen zurückzukehren. Bis heute kann keiner erklären,
warum der Schulz-Effekt so schnell und radikal ging, wie er kam.
Folglich kann auch niemand ausschließen, dass er ganz oder teilweise
zurückkehrt. Ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger würden die
Union zwar nicht vom Spitzenplatz vertreiben. Aber neue Koalitions-
wären neue Machtoptionen.

Ja, Deutschland ist aus vielen Krisen gut herausgekommen. Ja, die
Konjunktur brummt und die Staatseinnahmen steigen. Und ja, wir nähern
uns, von strukturschwachen Gebieten abgesehen, der Vollbeschäftigung.
Aber deshalb ist noch lange nicht alles gut. Die Kehrseite des
Merkel'schen Pragmatismus' ist die Abwesenheit alles Visionären.
Risiken zu scheuen bedeutet auch, mutlos zu agieren. Zwar hat Merkel
punktuell auch mal Mut bewiesen, beim Atomausstieg nach Fukushima
etwa oder vor zwei Jahren bei ihrem "Wir schaffen das". Aber
angesichts der großen Herausforderungen dieser Zeit, der
Digitalisierung und der drängenden Mobilitäts- und Energiewende,
wirkt Merkel gefährlich unentschlossen. Da hinkt Deutschland
hinterher. Schulz wird und muss den Finger in solche Wunden legen.
Angeblich will sich jeder zweite Wahlberechtigte das TV-Duell
ansehen. Merkel wittert die Gefahr. Ob sie das aber nervös macht?
Wohl kaum. Wir kennen sie ja.



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Datum: 31.08.2017 - 17:50 Uhr
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