(ots) - In deutschen Krankenhäusern wird immer häufiger
ambulant behandelt, also ohne dass die Patienten über Nacht bleiben.
So sind in den letzten drei Jahrzehnten rund 20 verschiedene
ambulante Versorgungsformen entstanden, die im Krankenhaus
durchgeführt werden: von Hochschul- und Notfallambulanzen über
Ambulantes Operieren im Krankenhaus bis hin zur Ambulanten
Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV). Anlässlich der
Veröffentlichung des neuen Krankenhaus-Reports des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO) bemängeln Experten nun den "Wildwuchs" in
diesem Versorgungsbereich und fordern einen einheitlichen
Ordnungsrahmen.
Mitherausgeber Prof. Jürgen Wasem stellt angesichts der Fülle von
Versorgungsmöglichkeiten fest: "Hinter dieser Vielfalt steckt kein
rationales Ordnungsprinzip. De facto werden hier identische
Leistungen in verschiedene Rechtsformen verpackt und dann auch noch
unterschiedlich vergütet." Ähnliche Unterschiede gebe es auch bei der
Bedarfsplanung, bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder den
Zugangsregeln zu Innovationen. "Und in puncto Qualitätssicherung sind
ambulante Krankenhausleistungen ohnehin Wüsten", so Wasem weiter.
Deshalb müsse die Politik an der Schnittstelle zwischen ambulanten
und stationären Leistungen endlich einheitliche Spielregeln für alle
und einen neuen Ordnungsrahmen vorgeben. Die Ausgestaltung der
Rahmenbedingungen könne der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)
übernehmen.
Auch Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für
Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main und
Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der
Entwicklung im Gesundheitswesen, kritisiert die Strukturprobleme
zwischen den Sektoren: "Das deutsche Gesundheitswesen ist wie ein
geteiltes Land. Zwischen Kliniken und Praxen verläuft eine kaum
überwindbare Mauer, die für Patienten gefährlich und für alle viel zu
teuer ist."
Das Fehlen von einheitlichen Spielregeln führe vielfach zu
konträren Interessen. Echte Zusammenarbeit, etwa zwischen
niedergelassenen und stationär tätigen Kardiologen, sei weder
vorgesehen noch möglich. Mit der Folge, dass es zu
Informationsbrüchen, Missverständnissen, Behandlungsfehlern,
Mehrfachdiagnostik, vermeidbaren hohen Arztkontakten und
Mengenausweitungen komme. Gerlach weiter: "Kaum einer übernimmt für
Patienten mit mehreren Krankheiten, die gleichzeitig von
verschiedenen Ärzten und Kliniken behandelt werden, die
Gesamtverantwortung und schützt sie vor zu viel oder falscher
Medizin." Hausärzte seien für diese Lotsenfunktion zwar
prädestiniert, befänden sich aber innerhalb des Gesundheitssystems in
einer geschwächten Position. Gerlach fordert eine regional vernetzte,
sektorübergreifende Versorgung, in der die Honorare für stationäre
Kurzzeitfälle und vergleichbare ambulante Behandlungen angeglichen
werden.
Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, ruft
die Beteiligten zur Kooperationsbereitschaft auf: "Auf
Schnittstellenprobleme wurde bislang von der Politik mit zahlreichen
Einzellösungen reagiert. Die bisherigen Modelle inklusive der
Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung sind sicher gut gemeint,
aber nicht gut gemacht. Das kann so nicht bleiben, da muss der
Gesetzgeber noch mal neu ansetzen." Der Status quo führe seit Jahren
nur zu Patchwork und den altbekannten rituellen Verteilungskämpfen
zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern. "Was ich mir
wünsche, ist mehr Miteinander statt dieses andauernden
Jeder-gegen-Jeden mit Sonderinteressen und Systemegoismen. Die
Leistungserbringer müssen sich darauf einlassen, gemeinsame
Qualitäts-, Verwaltungs- und Finanzierungsstandards zu entwickeln,
sonst kommen wir nicht weiter."
Voraussetzung für eine Neuausrichtung der fachärztlich-ambulanten
Versorgung sei mehr Transparenz. Dazu brauche es eine einheitliche
Dokumentation von ambulanten und fachärztlich-ambulanten Leistungen.
So könne man Doppelstrukturen und Qualitätseinbußen sichtbar machen
und damit Vergleichbarkeit schaffen. In einem zweiten Schritt müsse
sektorübergreifend festgelegt werden, welche Kapazitäten und
Strukturen für den Bedarf wirklich notwendig seien. "Wenn wir so weit
sind, kann ein neuer ordnungspolitischer Rahmen abgesteckt werden."
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