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ADHS: Forschung in der Sackgasse

ID: 1326742

Lieber kranke als unglückliche Kinder?

(firmenpresse) - KONFERENZ ADHS
ADHS: FORSCHUNG IN DER SACKGASSE
Lieber kranke, als unglückliche Kinder?

Wie kürzlich bekannt wurde, fördert die Europäische Union ein Forschungsprojekt unter Federführung des Frankfurter Universitätsklinikums mit 6 Millionen Euro, das mittels einer internationalen Studie die „Mechanismen hinter der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperakti-vitätsstörung (ADHS) und damit gemeinsam auftretenden Erkrankungen offenlegen und damit die Diagnose und Behandlung psychischer Störungen revolutionieren“ und zu einer „Zeitenwende in der ADHS-Behandlung“ führen will. Wahrlich wieder einmal große Worte! Doch können sie die Versprechungen halten?
Die Forschung zu ADHS, der sog. Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, umfasst inzwischen mehrere hunderttausend Studien, ohne dass bis heute auch nur annähernd Klarheit darüber bestünde, was Ätiologie und Nosolgie dieser „fabrizierten Krankheit“ (Eisenberg) anbelangt. Auch der renommierte Kliniker Jerome Kagan stellte 2012 fest, dass ADHS eine „Erfindung“ ist. Bereits 2008 konstatierte die amerikanische Forscherin Lydia Furman nach einer umfangreichen Analyse von zusammenfassenden Studien, Konsenserklärungen, "White Papers" und Ergebnissen professioneller Tagungen, dass die Forschungsergebnisse zur genetischen oder neuroanatomischen Ursache für ADHS ungenügend seien. Untersuchungen zeigten, dass Defizite der Exekutivfunktionen ADHS nicht erklären können und dass die psychometrischen Eigenschaften der weithin verwendeten Ratingskalen nicht den Standards genügen, die zur Messung einer Störung erfüllt sein müssen. Es sei unwahrscheinlich, dass eine eigenständige Störung ADHS überhaupt existiere. Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität seien vielmehr Symptome vieler verschiedener behandelbarer medizinischer, emotionaler und psychosozialer Einflüsse, die Kinder betreffen können (Furman 2008). An dieser Analyse Furmans hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert.




Immer wieder wurden in der Vergangenheit bei ADHS große Versprechungen gemacht, die sich nicht halten ließen: Die behauptete hohe Erblichkeit von ADHS ist angesichts der schwachen Methodik der früheren Familien- und Zwillingsforschung sehr zweifelhaft. Die Suche nach einem ADHS-Gen verlief im Sande, und die bis heute bekannte Genbeteiligung am Symptomkomplex „ADHS“ ist nicht kausal erklärend, unspezifisch, sehr schwach und die so wichtige Epigenetik völlig ignorierend.
Es gibt keinerlei spezifischen biologisch-physiologisch-morphologischen Marker für die Diagnose der angeblich körperlichen Krankheit, die behaupteten Transmitterstörungen im Gehirn sind nicht belegt. Die enorme Überlappung des Syndroms mit einer ganzen Reihe anderer Störungen belegt seine Unspezifität. Das hat sogar der renommierte ADHS-Forscher Banaschewski schon vor 10 Jahren feststellen müssen, als er bei Vergleichen von ADHS mit anderen neuropsychologischen, neurobiologischen und genetischen Korrelaten den ernüchternden Schluss ziehen musste, dass es bisher keine ADHS-Spezifität gibt. Das ist auch heute state of the art. Inzwischen wird von Freitag und Reif, den mit dem genannten Forschungsprojekt betrauten Klinikern in Frankfurt/M., betont, dass nach DSM5 50 % der Kinder mit ADHS auch die Kriterien einer ASS (Autismusspektrumsstörung) und 80 % der Kinder mit ASS ebenfalls Krankheitszeichen einer ADHS zeigen. Wenn diese Überschnei-dungen dann lediglich als „komorbid“ (also im Sinne eines zufälligen Zusammentreffens von gleichartigen Symptomen bei unterschiedlichen Krankheiten) verstanden werden, stellt sich die Frage, welchen Sinn dann noch eine Differenzierung auf Symptomebene überhaupt machen soll. Auf Deutsch: ADHS als exakt medizinisch definierte Krankheit gibt es gar nicht.
Es handelt sich im Grunde nur um ein willkürliches Konglomerat von kindlichen Verhaltensweisen, das ohne Einbezug kultureller und psychosozialer Differenzierungen per Konsens interessierter Verbände und Pharmafirmen als medizinische Krankheit in die Welt gesetzt wurde.
Die biologistische Psychiatrie und ADHS-Forschung unserer Tage blendet nach wie vor die schlichte Erfahrung völlig aus, dass auffälliges Kinderverhalten psychoreaktiv sein kann, Ausdruck psychosozialer Not und seelischen Leidens. Man erforscht lieber das „zelluläre Hintergrundrauschen“ im Gehirn unserer Kinder, legt sie in den Computertomographen, misst die Dicke ihrer Hirnrinde und lässt sie erhebliche Mengen starker Psychostimulanzien schlucken, als empathisch ihre gesellschaftlich-familiären Alltagsbelastungen zu reflektieren und zu behandeln. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass anatomische und funktionelle Veränderungen im Gehirn nach dem heutigen Stand der Forschung auch das Ergebnis von psychologischen Faktoren sein können und nicht von vorn herein nur die Ursache für ein Verhalten darstellen (Meaney 2005).Der Psychiater Wettig (2010) spricht von „Stressnarben im Gehirn“
Man hat wohl lieber kranke, als unglückliche Kinder.
Solange die ADHS-Forschung diesen blinden Fleck pflegt, ist sie völlig in der Sackgasse. Die angekündigte Studie bewegt sich leider wieder auf dieser unglücklichen Schiene.

Quellen:
Furman L.M. Division of General Academic Pediatrics, Rainbow Babies and Children's Hospital, Cleveland, Ohio 44106, USA: Attention-deficit hyperactivity disorder (ADHD): does new research support old concepts? J Child Neurol.2008 Jul;23(7):775-84
Banaschewski, T. u.a.: Towards an understanding of unique and shared pathways in the psychopathophysiology of ADHD. Dev Sci. 2005 Mar;8(2):132-40.
Kagan, J.: ADHS ist eine Erfindung. In: DER SPIEGEL 31, 2012, S. 95
Eisenberg, L.: ADHS ist eine fabrizierte Krankheit. In: DER SPIEGEL 06/2012
Meaney, M. J. : Wie die Zuwendung der Eltern die Stressvulnerabilität beeinflusst; Verhaltenstherapie 2005, 15: 110-112
Freitag, C., Reif, A.: Ursachen von ADHS und Autismus-Spektrum-Störungen unbekannt: EU fördert Forschung des Klinikums. Klinikallianz Plus Metropole Frankfurt Hessen (WWW. klinikalllianz-plus.de)
Wettig, J. (2010): Frühe Bindungserfahrung beeinflusst Genaktivität. Hessisches Ärzteblatt 4/2010, 10-16

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Datum: 29.02.2016 - 10:08 Uhr
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