(ots) - Sie wurde ein Vielfaches häufiger plakatiert
als der luxemburgische Spitzenkandidat oder der farblose Topmann auf
der deutschen Liste. Dass sie eine der ganz entscheidenden
Persönlichkeiten nach der EU-Wahl sein dürfte, musste jedem klar
sein. Nur - und hier liegt der eine von zwei wesentlichen
Schönheitsfehlern im Handeln von Angela Merkel: Die Bundeskanzlerin
stand nicht zur Wahl und es ging bei der Europawahl eben nicht um ein
"Weiter so", mit dem sie deutsche Wahlen zu gewinnen pflegt.
Der zweite und noch gröbere Fauxpas war, dass sie im Vorfeld der
Wahlen einmal mehr hat alles laufen lassen. Die europäischen
Sozialisten waren vorgeprescht und nutzten den Urnengang geschickt zu
einem Referendum über den künftigen EU-Kommissionspräsidenten. Angela
Merkel hat dieses Spiel nicht gestoppt und sich dann und trotz
eigener Zweifel hinter die Kandidatur von Jean-Claude Juncker
gestellt. Ihre Nebensätze, sie werde sich in Zukunft strikt an
EU-Verträge halten, gingen in der Öffentlichkeit unter.
Dabei sind die Verträge ganz klar: Das Vorschlagsrecht für den
EU-Kommissionspräsidenten liegt bei den Regierungschefs und nicht
beim Parlament. Daran hielt und hält Merkel fest. Doch die
Bevölkerung musste im Zuge der Wahlkampagne einen ganz anderen
Eindruck gewinnen, nämlich dass die Wähler entscheiden sollten, wer
EU-Kommissionspräsident wird. Formal war das zwar falsch, aber fast
alle Parteien haben mitgemacht, weil dieses Ziel in einem
demokratischen Europa das einzig Richtige ist.
Doch jetzt bremst Merkel in einem Machtkampf um die Deutungs- und
Gestaltungshoheit der europäischen Politik Juncker in einer Art und
Weise aus, dass selbst der sozialistische Präsident Frankreichs,
Francois Hollande, sich zu einer Richtigstellung genötigt sah. Er
habe zu seiner eigenen Überraschung klarmachen müssen, wer die Wahl
gewonnen habe. Und das sei eben Juncker von den Konservativen
gewesen. Das Signal Hollandes war: Hört auf mit der Kungelei. Merkel
sollte das beachten.
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