PresseKat - DER STANDARD-Kommentar "Wien man eine Regierung bildet" von Conrad Seidl

DER STANDARD-Kommentar "Wien man eine Regierung bildet" von Conrad Seidl

ID: 966149

(ots) - Es war einmal ein Minister, der in den hohen Räumen
seines Ministerbüros etwas Nützliches tun wollte. Ihm war, was hinter
gepolsterten Türen nicht selbstverständlich ist, zu Ohren gekommen,
dass sein Ministerium nicht recht effizient organisiert sei. Also
rief er die Spitzenbeamten zu sich und beauftragte sie, eine ideale
Organisation des Ministeriums zu entwerfen, mit straffen
Budgetvorgaben und klaren Verantwortlichkeiten - was die hohen
Herren, einander stets eifersüchtig beäugend, dann auch taten. Am
Ende stand eine Organisation, die durchaus geeignet erschien: Jeder
hatte sich so viel Macht und Einfluss gesichert, wie für seine Arbeit
nötig war, ohne dabei einen anderen schlechterzustellen. Der Minister
ließ sich den Plan vorlegen, fragte bei jedem einzeln nach, ob das
wirklich das für ihn persönlich beste Ergebnis mit der besten
Machtverteilung wäre, und dankte den Herren. Mit diesem optimalen
Plan gedenke er das Ministerium nun zu führen - aber mit jüngeren
Kräften. Die alte Garde (es handelte sich um das
Verteidigungsministerium) erfuhr zu ihrem Schrecken, dass sie nun in
Pension geschickt würde. Die Posten hat der Minister neu
ausgeschrieben und an ein relativ junges, gut ausgebildetes, aber
unverbrauchtes Führungsteam übergeben. Bravo! Die eben erzählte
Geschichte hat sich tatsächlich einmal so zugetragen - und sie könnte
ein nettes Lehrstück für die Koalitionsverhandlungen sein. Auch da
sitzen einander viele in ihren Ämtern grau gewordene Funktionsträger
gegenüber, die danach gieren, die Macht optimal zu verteilen. Der
Schwarze passt auf, dass der Rote sich nicht zu viel nimmt - und der
Rote versucht Einflussbereiche mit dem Schwarzen abzutauschen. Am
Ende werden sie keine optimale Konstruktion haben, aber wohl die
bestmögliche. Im Märchen ginge die Geschichte dann so weiter: Der
Herr Bundespräsident (er ist nicht im Märchen, sondern in der




Verfassung der Herr über der Regierungsbildung) dankt der alten Garde
und schickt sie in den wohlverdienten Ruhestand, um neuen, jungen
Leuten die Regierungsgeschäfte zu übertragen. Er würde dabei peinlich
darauf achten, dass das, was sich ein Roter als Optimum konstruiert
hat, an einen Exponenten der Schwarzen fiele und umgekehrt - wenn er
nicht überhaupt Personen aus anderen Parteien beauftragte. Gut: Wir
leben nicht in einem Märchen. Wir leben in einer Realität, in der der
Bundespräsident am Ende ein Kabinett angeloben wird, in dem
vielleicht weniger Minister sitzen, aber der alte koalitionäre
Pragmatismus zur Grundmaxime erhoben wird. Da werden Machtbereiche
abgesteckt - schon wacht der Bauernbund darüber, dass "sein"
Landwirtschaftsministerium nichts verliert, und die Gewerkschaft
sichert sich vorsorglich alle Sozialagenden in "ihrem"
Sozialministerium (wenn Gesundheit hinzukäme, hätte keiner in der
roten Mannschaft etwas dagegen - vorausgesetzt es kostet nicht den
eigenen Job). Und weil man nicht im Märchen lebt, wird man diese
Machtpositionen auch gut selber füllen. Man nennt das dann
"Stabilität". Das eingangs erzählte Märchen ist übrigens nicht gut
ausgegangen. Zwar hat der Minister sein Ministerium mit den neuen
Leuten halbwegs in den Griff bekommen - aber bald waren Neuwahlen.
Der nächste Minister sah Reformbedarf. Und wenn sie nicht gestorben
sind, reformieren sie noch heute.

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Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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Datum: 21.10.2013 - 19:00 Uhr
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Ein Lehrstück, das wohl keine Chance hat Wien



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